Der Beginn des Wochenabschnitts »Wajera« handelt in den Tagen nach der Beschneidung Awrahams. Kurz danach erzählt uns der Text von der Geburt Jizchaks. Unsere Weisen erklären, dass das Gebot der Beschneidung, das Awraham auf sich nahm, eine notwendige Voraussetzung für die Geburt des Jizchak war. Nun kann man sich fragen, warum diese Bedingung gerade für Jizchaks Geburt galt.

Gewiss verstehen wir, dass eine so überragend heilige Persönlichkeit wie Jizchak schon von der Zeugung an in einer heiligen Atmosphäre heranwachsen muss – aber das hätte doch für Awraham auch gelten können,beide sind gleichermaßen Väter des jüdischen Volkes!

Eine chassidische Einsicht in die verschiedenen spirituellen Ebenen, von denen unsere Väter Awraham und Jizchak geprägt sind, hilft uns den Unterschied besser zu verstehen:

Awrahams Weg, G-tt zu dienen, wird von den Weisen mit der Art des Wassers verglichen: So wie Wasser von oben nach unten fließt, so beschäftigte sich Awraham damit, die Erkenntnis, dass genau ein G-tt die Welt regiert, sozusagen aus himmlischen Höhen hinunter auf die Erde zu bringen. Dabei war ihm kein Gesprächspartner zu niedrig, zu allen Menschen, die er fand, begab er sich, um ihnen die Einsicht des Monotheismus zu vermitteln. Immer war seine typische Arbeitsweise jedoch das Herabbringen von etwas Höherem in die Niederungen der Welt.

Von Jizchak erfahren wir gerade das Umgekehrte: Seine Art, G-tt zu dienen, wird mit einer Feuerflamme verglichen. Und eine Flamme hat die Eigenschaft sich von unten nach oben zu bewegen. So werden wir in einem der späteren Wochenabschnitte darüber lesen, dass Jizchak ausgiebig damit beschäftigt war, Brunnen zu graben, um »lebendiges Wasser« (im übertragenen Sinn ein Symbol für die Tora) freizulegen. Dieses »lebendige Wasser« musste nirgends hingebracht werden, es war schon da, bloß die Erde darüber musste freigelegt werden, um es heraufzuholen.

Diese Eigenschaft brachte es mit sich, dass bei Jizchak die Heiligkeit, die durch die Beschneidung entstand, bereits bei seiner Zeugung vorhanden sein musste. Denn sein Weg war es nicht, Heiligkeit herabzubringen, sondern bereits vorhandene aber in den Tiefen verborgene Heiligkeit freizulegen und heraufzuholen.

Die Lehre aus Awrahams und Jizchaks gegensätzlichen Eigenschaften ist folgende: Alle jüdischen Seelen haben beide Aspekte in sich, und beides gehört zu unserem Aufgabenbereich. Zuerst ist da das Herabbringen von Heiligkeit, zum Beispiel im Gebet oder durch Lernen der Tora. Doch darf man über der Begeisterung für die heilige Atmosphäre, die dadurch entsteht, nicht vergessen, dass der zweite Teil nicht weniger wichtig ist! Sich auch dorthin zu wenden, wo Heiliges zwar vorhanden aber unter Unheiligem verborgen ist, und unerschütterlich so lange zu »graben« bis das »lebendige Wasser« freigelegt wurde, gehört genauso dazu.

Und aus dem Lebenslauf des Jizchak können wir lernen, dabei nicht aufzugeben, auch wenn Misserfolge sich mal häufen sollten, oder die kühle Analyse des Verstandes vielleicht nur geringe Erfolgsaussichten zugesteht.