Dies ist somit die Bedeutung des Verses: „Denn sehr nahe ist dir die Sache … …“1 Denn zu jeder Zeit und in jedem Moment liegt es in der Hand und der Möglichkeit des Menschen, den Geist der Torheit und die Vergesslichkeit von sich zu entfernen, seiner Liebe zum Einen G‑tt zu gedenken, und sie zu erwecken, die gewiss, ohne jeden Zweifel in seinem Herzen verborgen ist. Dies ist die Bedeutung der Worte „und in deinem Herzen“2. Darin ist auch Furcht enthalten3, nämlich [Furcht] vor jeglicher Trennung von der Einzigkeit und Einheit des Gesegneten, sogar um den Preis des Lebens, ohne jeglichen Grund und begreifbaren Intellekt, sondern ausschließlich kraft der g‑ttlichen Natur. Umso eher ist ihm beim Brechen der Begierden – was leichter ist als Todesqualen – die Sache näher, den Trieb zu unterwerfen, sowohl betreffend „Kehr ab vom Bösen“ [als auch betreffend „Tu Gutes“], sogar wenn es ein geringfügiges rabbinisches Verbot betrifft, nicht den Willen des Gesegneten zu überschreiten, denn zum Zeitpunkt einer solchen Tat wird er dadurch von Seiner Einzigkeit und Einheit getrennt wie bei tatsächlichem Götzendienst. Und siehe – später Umkehr tätigen kann er auch im Fall von Götzendienst.

(Zwar „erhält jemand, der sagt: ,Ich werde sündigen und danach umkehren‘, keine Möglichkeit dazu etc.“4, aber dies bedeutet nur, dass man ihn nicht unterstützt und ihm keine günstige Gelegenheit zur Umkehr bietet; hat er jedoch selbst darauf gedrängt und Umkehr getan, so „steht nichts der Umkehr im Wege“5.)

Nichtsdestotrotz ist jeder Jude bereit und willig, seine Seele für die Heiligung G‑ttes zu opfern6, und wird sich nicht einmal zeitweilig vor Götzen bücken in der Absicht, anschließend Umkehr zu tun. Dies ist zurückzuführen auf das g‑ttliche Licht, das wie oben erwähnt7 in seine Seele gekleidet ist, und das sich in keiner Weise innerhalb der Dimension von Zeit befindet, sondern über Zeit erhaben ist, und über sie herrscht und regiert, wie bekannt ist8.

Ebenso betreffend „Tu Gutes“: sich wie ein Löwe mit Stärke und festem Herzen zu stärken gegenüber dem [bösen] Trieb, der seinen Körper beschwert und ihm Faulheit vom Element Erde in der tiergleichen Seele aufbürdet, ihn davon abhaltend, seinen Körper voller Wendigkeit zu belasten mit allerlei Sorten der Mühe und Anstrengung im Dienst G‑ttes, der Mühe und Plage birgt. Angestrengtes Lernen der Tora etwa – voller Konzentration und mit verbaler Artikulation, sodass sein Mund nicht vom Lernen verstummt. Wie unsere Meister sel. A. sagten: „Der Mensch unterwerfe sich stets den Worten der Tora wie der Ochse seinem Joch und der Esel seiner Last“9. Gleiches gilt für konzentriertes Gebet mit wirklich seiner ganzen Kraft, und gleiches gilt auch für den Dienst G‑ttes in finanziellen Angelegenheiten, wie etwa die Pflicht des Spendens

und ähnliche Pflichten, bei denen es zum Krieg gegen den bösen Trieb und seine Listen kommt, die versuchen, die Seele des Menschen abzukühlen, auf dass er nicht sein Geld oder seine körperliche Gesundheit verschwende. [Dem bösen Trieb] zu widerstehen und ihn zu erobern ist dem Menschen sehr nahe, wenn er sich zu Herzen nimmt, dass der Sieg über den Trieb in all dem Erwähnten und mehr, und die Ausführung des genauen Gegenteils ein Leichtes ist im Vergleich mit Todesqualen – möge G‑tt uns schützen! Und Todesqualen – möge G‑tt uns schützen – würde der Mensch liebend gerne und willig auf sich nehmen, um von der Einzigkeit und der Einheit des Gesegneten auch nicht einmal für einen Augenblick getrennt zu sein durch ein Bücken vor Götzen, G‑tt behüte. Umso liebender und williger muss er doch auf sich nehmen, Ihm für immer und ewig anzuhangen. Das heißt, wenn er mit diesem Dienst den Willen des Gesegneten ausführt, wird darin die innere Dimension des Oberen Willens offenbart im Aspekt „Angesicht“, in großer Offenheit, ohne jegliches Verbergen; und wenn im Oberen Willen keinerlei „Verbergen des Angesichts“ herrscht, existiert überhaupt keine abgetrennte Einheit, die Seiendes und eine eigenständige Einheit ist. Auf diese Weise werden sowohl die g‑ttliche als auch die belebende Seele des Menschen mit ihren Gewändern allesamt in völliger Einheit mit dem Oberen Willen und dem Licht des gesegneten Ejn Sof vereint, wie oben erwähnt wurde10.

In den Oberen Sphären ist diese Vereinigung immerwährend und ewig, denn der Gesegnete und Sein Wille sind über Zeit erhaben. Gleichfalls ist die Offenbarung Seines Willens in Seinem Wort – der Tora – ewig, wie geschrieben steht: „Aber das Wort unseres G‑ttes besteht ewiglich“11 und „Seine Worte sind lebendig und beständig etc.“12 und „Niemals wechselt oder ändert G‑tt Sein Gesetz in ein anderes etc.“13

Hier unten indes ist [diese Vereinigung] der Zeit unterworfen; sie findet nur statt, während sich der Mensch mit der Tora oder einem Gebot beschäftigt, denn wenn er sich danach mit einer anderen Sache beschäftigt, ist er hier unten von dieser erhabenen Vereinigung getrennt. (Dies gilt jedoch nur, wenn sich der Mensch mit völlig nutzlosen Dingen abgibt, für die im Dienst G‑ttes keinerlei Bedarf besteht.) Wenn er jedoch danach umkehrt und zum Dienst G‑ttes, zur Tora und zum Gebet zurückkehrt und G‑tt dafür um Vergebung bittet, dass er nicht Tora lernte zur Zeit, als ihm die Beschäftigung damit möglich war – wird ihm G‑tt vergeben. Wie unsere Meister sel. A. sagten: „Übertritt der Mensch ein positives Gebot und kehrt um, rührt er sich nicht eher von der Stelle, als bis ihm vergeben wird.“14 Und daher verfügten sie, den Segensspruch „Verzeihe uns“ für die Sünde der „Vernachlässigung des Torastudiums“ drei Mal täglich zu sprechen15, denn niemand entgeht dieser Sünde auch nur für einen einzigen Tag16; ähnlich dem täglichen Ganzopfer, das die Übertretung positiver Gebote sühnte17.

Dies ist nicht, als sagte der Mensch: „Ich werde sündigen und danach umkehren“, außer der Mensch verlässt sich zum Zeitpunkt der Sünde auf die [anschließende] Umkehr und sündigt als Folge davon, wie andernorts erklärt wird18.

Und damit wird verständlich, warum unser Meister Mosche, Friede mit ihm, im Buch Deuteronomium19 der Generation, die das Land Israel betreten würde, befahl, zweimal täglich das Schema zu lesen20, [d.h.] das Joch himmlischen Königtums mit Selbstaufopferung auf sich zu nehmen. Hatte er ihnen nicht zugesichert: „Der Ewige, [Euer G‑tt,] wird den Schrecken und die Furcht vor euch [auf das gesamte Land] legen … …“21? Der Grund dafür lautet, dass die Erfüllung der Tora und ihrer Gebote abhängig davon ist, dass der Mensch stets der Bereitschaft zum Opfertod für G‑ttes Einheit gedenkt, sodass dieses Bewusstsein wirklich ständig in seinem Herzen verankert ist, Tag und Nacht nicht aus seinem Gedächtnis weicht, denn so kann er seinem Trieb entgegentreten und ihn stets, zu jeder Zeit und in jedem Augenblick, besiegen, wie oben erklärt wurde.