Ruth war eine Prinzessin, die Tochter von König Moab. Aber trotz ihres hohen Ranges erkannte sie den gewaltigen Unterschied zwischen dem Götzendienst ihres Volkes und den g-ttlichen Geboten, welche die Juden befolgten.

Damals wütete eine Hungersnot, und viele Moabiter starben. Aber die Scheunen der Reichen waren mit Getreide gefüllt, und es war sogar Saatgut übrig.

Die Reichen ließen ihre Vorräte gut bewachen, und den Hungernden war bei Todesstrafe verboten, das Getreide anzurühren. Die gute Prinzessin war entsetzt über das Leiden des Volkes und die Weigerung der Reichen, den Armen zu helfen.

Plötzlich hasste sie den Luxus des Palastes. Sie hatte eine kleine jüdische Familie kennengelernt, die aus Beit Lechem gekommen war, und ihre Lebensweise hatte großen Eindruck auf sie gemacht. Und als ein Familienmitglied, einer der Söhne von Elimelech und Naomi, um ihre Hand anhielt, gab sie bereitwillig ihr privilegiertes Leben auf und schloss sich der Familie der armen Einwanderer an. Selbst als ihr Mann starb, blieb sie bei ihrer Schwiegermutter Naomi.

Als die Hungersnot zu Ende war, beschloss Naomi, nach Hause zurückzukehren. Ruth hatte ihre Schwiegermutter so gern, dass sie sie begleiten wollte. Naomi versuchte, sie davon abzubringen. Sie erklärte ihr, wie viele Pflichten sie als Jüdin haben würde, und erwähnte die 613 Gebote der Tora. Und sie wies offen darauf hin, welche Strafen sie erwarteten, wenn sie diese Gebote verletzte.

Aber Ruth blieb standhaft. „Versuche nicht, mich umzustimmen“, erklärte sie. „Wo immer du hingehst, ich werde dir folgen. Dein Volk soll mein Volk, und dein G-tt soll mein G-tt sein.“ Diese Worte flossen aus einem reinen Herzen und aus einer edlen Seele. Ruth war eine Gijoret Zedek, eine rechtschaffene Proselytin im wahrsten Sinne des Wortes.

Ruth bereute ihre Entscheidung nie. Im Gegenteil, als sie in Beit Lechem ankam, war sie mehr denn je von der Gerechtigkeit und dem Mitgefühl der jüdischen Gebote überzeugt. Im Land Israel wurden die Armen nicht von den Feldern gejagt. Als Ruth sich einmal müde und hungrig mitten in einem Gerstenfeld hinsetzte, hörte sie eine freundliche Stimme rufen. Boas, der Eigentümer des Feldes, lud sie ein, so viel Getreide zu pflücken, wie sie wollte. Zudem bot er ihr Schutz und Wasser an. Ruth war dankbar und sammelte einige Garben. Dann wollte sie gehen; aber Boas riet ihr, noch ein wenig zu warten, denn die Ernte werde bald beginnen, und dann könne sie „Peia“ nutzen.

„Was ist das?“, fragte Ruth.

Boas erklärte: „Die Tora befiehlt, dass der Eigentümer eines Feldes nach der Ernte die Peia – die „Ecke“ - nicht antasten darf. Dieses Stück bleibt für Arme und Wanderer übrig, die nichts zu essen haben.“

Als die Ernte begann, sammelte Ruth eifrig noch mehr Getreide. Bald war ihr Beutel fast bis zum Bersten gefüllt. Wieder wollte sie gehen, und wieder riet Boas ihr zu warten. Seine Arbeiter, sagte er, würden das Getreide bald zu Garben binden; dann könne sie Leket nutzen.

„Was ist Leket?“, fragte Ruth.

Boas erklärte es ihr: „Wenn die Sichel einige Getreidestängel verfehlt und diese dem Arbeiter aus der Hand fallen, darf er sie nach jüdischem Gesetz nicht aufheben. Diese Stängel sind den Waisen und Armen, den Witwen und Wanderern vorbehalten, die sonst nichts haben.“

Schließlich kehrte Ruth mit so viel Getreide zu ihrer Schwiegermutter zurück, dass es ihnen sehr lange reichte. Erst jetzt wusste Ruth die jüdischen Gesetze wirklich zu schätzen und verstand, wie kostbar und heilig sie waren. Die Tora sorgte nicht nur für Witwen und Waisen, sondern kümmerte sich auch um Fremde, die nicht zur Gesellschaft gehörten und sich in einem fremden Land befanden. Voller Liebe und Hingabe hielt Ruth, die Moabiterin, an der Tora und am jüdischen Volk fest. Ihr Lohn war groß: Der reiche Boas, einer der Richter Israels, nahm sie zur Frau, und sie erwarb das Verdienst, die „Mutter der Könige“ zu werden. Sie hatte Kinder und Enkel, und ihr Urenkel war David, der Gesalbte G-ttes, der auf dem jüdischen Thron saß.

Auch der Moschiach ist ein Nachkomme Ruths. Möge er jetzt offenbart werden und das jüdische Volk und die Welt sofort erlösen!