Die Hauptbeschäftigung des Rebbe war das Studium. Er vertiefte sich in die Schriften des Talmud, die Gesetzestexte und ihre Auslegungen, die Kabbala und die Philosophie. Er studierte jeden Aspekt des Reichtums der Thora, prüfte und verglich, stellte Fragen, die andere nicht zu stellen wagten, und bot Lösungen an, die andere noch nicht gefunden hatten.

Es stimmt, daß er eine internationale Organisation von Aktivisten mit Hunderten von Büros rund um den Globus leitete. Es stimmt, daß er jeden Tag säckeweise Post erhielt. Es stimmt, daß er Aktion verlangte und nicht nur Ideen. Und doch bestand seine Hauptbeschäftigung - das, worüber er sprach, worüber er schrieb, womit er die meisten Stunden um Tage verbrachte - im Studium der Thora.

Der Rebbe wiederholte oft, daß man mit dem Thorastudium die Welt erobern könne. Und die Art und Weise, in der der Rebbe die Thora erörterte, zeigte genau dies: Jeder Gedanke, jede Lehre stellte einen neuen Ansatz zum Verständnis des gesamten Universums dar. Eine einfache Geschichte oder ein scheinbar trockener Gesetzestext wurden in seinen Händen zu einer Einsicht in das Wirken von Zeit und Raum.

Soviel Zeit mit dem Studium zu verbringen, ist bereits für sich genommen eine aussagekräftige Botschaft. Ein solches Verhalten zeigt: «Das, was ihr von mir seht, der Teil von mir, der sich um die Welt und ihre Angelegenheiten kümmert - das bin ich nicht. Das ist nur ein Abglanz meiner Seele. In Wirklichkeit bin ich in inniger Vereinigung mit einer G-ttlichen Lehre, die jenseits der Zeit und jenseits der ganzen Schöpfung ist.»

Nur jemand, der fest in einem höheren Reich verankert ist, kann die Welt wirklich verändern.

Man nennt das Wort G-ttes «Die Bibel» oder «Das Gesetz», aber das bedeutet es nicht. Thora heißt «Anweisungen». Gleich, welchen Text in der Thora du studierst - du mußt darin die Anweisungen finden, die er dir gibt.


Die Thora ist der Plan, auf dem der Entwurf der Welt verzeichnet ist. Alles, was es gibt, kann man in der Thora finden. Und mehr noch: In jedem Konzept der Thora kann man die ganze Welt finden.


Als G-tt zum Menschen auf dem Berge Sinai sprach, gab es kein Echo, wie es in der Überlieferung heißt.

Die Thora durchdringt alles und wird von allem aufgesogen, weil das ihr Wesen ist. Es gibt keinen Ort, an dem sie nicht gilt, keine Dunkelheit, die sie nicht erleuchtet, nichts, das sie nicht mit Leben erfüllen kann. Nichts und niemand wird sich dagegen auflehnen und behaupten: «Die Thora ist zu heilig, um hierher zu gehören.»


Vor der Erfahrung auf dem Berge Sinai gab es eine Hierarchie der Menschen, die die Wahrheit kannten. Der Hohepriester von Ägypten war im Besitz der vollen Wahrheit. Die Schreiber kannten die Wahrheit als Geheimnisse. Die von ihnen initiierten Schüler hatten Ahnungen. Die gemeinen Menschen aber wanderten in der Dunkelheit umher.

Am Sinai mußten sich alle Männer, Frauen und Kinder versammeln. Alle erfuhren dieselbe Wahrheit, alle zur selben Zeit. Wenn es um die Essenz einer Sache geht, gibt es kein «höher» oder «niedriger». Manche mögen eine Wahrheit in größeren Zusammenhängen oder in vielen Details wahrnehmen, aber das Wesen der Wahrheit ist überall das gleiche und für jedermann geeignet. Weil G-tt überall ist.


Gehe in einer klaren Nacht nach draußen und betrachte die Spiegelung des Mondes im Wasser eines Sees. Dann schau dir die Spiegelung des Mondes in einem Teich, einer Teetasse und einem einzigen Wassertropfen an. Auf dieselbe Weise wird das Wesen der Thora in jedem Menschen gespiegelt, der sie studiert, vom kleinen Kind bis zum großen Weisen.


Vor der Erfahrung am Berge Sinai gab es eine Erde, und es gab einen Himmel. Wenn man das eine wollte, mußte man vom anderen lassen. Am Berge Sinai aber wurden die Grenzen von Himmel und Erde aufgehoben, und der Mensch erhielt die Kraft, beide zu verschmelzen: Das Irdische in das Reich des Geistes zu erheben, und den Himmel auf die Erde zu bringen.


Vor der Erfahrung am Sinai konnte der grobe Stoff, aus dem die Welt gemacht ist, nicht erhoben werden. Er konnte als Mittler genutzt werden, als ein Hilfsmittel auf dem Weg zur Erleuchtung, aber er konnte nicht selbst erleuchtet werden.

Jakob benutzte Stöcke zur Meditation, Isaak grub Brunnen. Aber weder die Stöcke noch die Brunnen wurden von G-ttlichkeit erfüllt.

All das wurde durch das Erlebnis am Berge Sinai anders. Wenn man ein Stück Leder nimmt und darauf einen Text der Thora schreibt, transformiert man damit das Materielle ins Spirituelle. Dasselbe gilt für das Mehl, womit die Matzen für die Pessach-Nacht gebacken werden, für die Zweige, mit denen man die Laubhütte deckt, und sogar für das Einkommen, das du für Tzedaka verwendest. Das kann man auf das ganze Leben übertragen.

Die Aufgabe unserer Stammväter bestand darin, die Seelen der Menschen zu erleuchten. Unsere Aufgabe ist es, die irdische Dunkelheit in Licht zu verwandeln.


Manche Menschen meinen, die Thora enthalte allein Gesetze, Sittengemälde und originelle Geschichten, und haben nur eine vage Vorstellung von ihrer mystischen Seite. Die Erfahrung unseres Volkes am Berge Sinai war eine mystische Erfahrung. Es heißt, daß die Menschen den Donner sahen. Sie sahen das, was man üblicherweise hört, und sie hörten das, was man gewöhnlich sieht. Das Geistige wurde ihnen zur Realität, und das Wirkliche erschien als atmosphärische Störung, als intellektuelle Einbildung.

Die Seele der Thora - ihre mystische Erfahrung - kam zuerst. Die Thora ohne ihre innere Bedeutung ist wie ein Körper ohne eine Seele.


Es gibt keine zwei Thoras, eine für Mystiker und eine andere für Gesetzesdeuter. Es gibt den Körper der Thora, und es gibt die Seele der Thora. Beides ist eins. Keines kann dem anderen widersprechen, denn das eine findet sich im anderen, und umgekehrt.


In einem schlichten Kommentar, der für ein fünfjähriges Kind geschrieben wurde, lassen sich tiefe Geheimnisse der Thora finden. Allerdings nur dann, wenn wir den schlichten Kommentar so verstehen, wie es ein fünfjähriges Kind tun würde.


Manchmal macht die Thora eine Aussage, widerspricht sich später selbst und enthüllt noch später einen dritten Ansatz, der den Widerspruch auflöst.

In der Thora bekommst du nicht alle Antworten auf einmal. Du mußt zuerst eine einfache Wahrheit akzeptieren und damit leben. Später mußt du dann eine weitere Wahrheit finden - eine, die anscheinend zu allem im Widerspruch steht, was du zuvor hast, und die alles aufzuheben scheint. Doch aus dieser Verwirrung entsteht eine höhere Wahrheit: das innere Licht, das alles durchdringt, was du zuvor gelernt hast.


Rabbi Zera fastete 100 Fastenzeiten lang, um alles zu vergessen, was er in Babylonien gelernt hatte. Erst dann konnte er damit beginnen, die Thora des Landes Israel zu studieren.

Lernen bedeutet nicht einfach, Wissen und noch mehr Wissen zu erwerben. Lernen ist ein Prozeß von Quantensprüngen, die einen immer weiter über das subjektive Ich hinausführen. Es ist gleich, wie hoch der Gipfel ist, den du erreichst - es gibt immer einen anderen Gipfel, der noch höher ist.

Diesen Gipfel kannst du jedoch erst erklimmen, wenn du feststellst, daß du dich immer noch im Tal befindest.


Du fragst vielleicht: «Warum muß ich studieren und lernen? Ist denn die Wahrheit nicht schon in mir?»

Die Wahrheit ist in dir verschlossen, tief in Schlaf versunken. Sie wird von der Wahrheit, der du außen begegnest, erweckt und befreit.


Die Thora zu studieren ist nicht so, als ob man irgendein anderes Fach lernt. In anderen Bereichen verbindet sich unser Geist mit der Information und dem Wissen von und über etwas. Wenn wir jedoch die Thora studieren, ist Er in all jenen Gedanken, über die wir nachdenken und meditieren - Er ist in ihnen, und wir sind zu diesem Zeitpunkt eins mit Ihm.


Wenn du einen Gedanken aus der Thora hörst, solltest du darüber meditieren. Du mußt das, was du hörst, von einem Zustand des Verstehens in einen Zustand der Erkenntnis, der Verwirklichung und der Vision weiterführen. Der Gedanke muß dich so lange und so tief bewegen, bis du nicht mehr derselbe bist wie zuvor und bis dein Tag nicht mehr derselbe Tag ist wie zuvor. Dann ist dieser Gedanke zu deinem eigenen geworden.


Man kann in einem Palast voller Schätze leben und dennoch arm sein. Um reich zu sein, mußt du die Dinge besitzen, die du hast. So ist es mit der Armut des Geistes: Du verfügst vielleicht über alles Wissen der Welt und über brillante Ideen dazu, und doch bleibst du arm, bis sie ein Teil von dir geworden sind.


Ich verstehe nicht, wie die Menschen eine schlichte Regel im Kodex des jüdischen Gesetzes so einfach ignorieren können, als ob es sie gar nicht gäbe. Sie lautet ausdrücklich, daß man vor dem Gebet meditieren muß.


Der Ablauf unseres Tages ist von großer Bedeutung. Er soll mit einer Vision beginnen und dann erst langsam in die Welt eintauchen.

Beginnen wir mit einem Studium, das inspiriert, mit Meditation und Gebet. Dann gehen wir weiter zum Studium der Thora-Texte, die weltliche Angelegenheiten behandeln.

Und dann erst können wir uns ganz in die Dunkelheit werfen, voller Licht, um sie zu erleuchten.


Die Luft der Welt muß gereinigt werden. Die Qualität unseres Lebens hängt davon ab. Sprich Worte der Thora, wohin du auch gehen magst, und du wirst die Luft reinigen.


Um mit deinem ganzen Selbst daran teilzuhaben, mußt du im Hinblick auf die Thora kreativ sein. Und um mit der Thora kreativ umzugehen, mußt du dein Ich aussperren.


Die Schule von Hillel und die Schule von Shammai widersprachen sich in vielen Punkten. Zur Schule von Schammai zählten die glänzendsten Gelehrten der damaligen Zeit, und doch folgen wir im allgemeinen der Meinung der Schule von Hillel. Warum? Weil diese, wie der Talmud sagt, demütiger war.

Intelligenz garantiert noch keine Wahrheit. Die Wahrheit gehört dem, der sein Ich beiseite stellen kann.


Ein Schüler beginnt als Schwamm oder als Trichter: Entweder wird alles ohne jede Unterscheidung aufgesogen, oder alles geht in ein Ohr hinein und aus dem anderen wieder heraus. Deshalb gehört es zur Aufgabe eines Lehrers, dem Schüler gleich von Anfang an zu sagen: «Konzentriere dich auf dieses, das ist wichtig. Laß jenes beiseite, das steht nur im Hintergrund.»


Ich glaube nicht an Philosophie. Ich glaube an Ideen, die Menschen ändern.


Der Rebbe initiierte eine Kampagne, um Juden wieder zum jüdischen Brauchtum zurückzubringen. Die gesamte Kampagne war darauf ausgerichtet, Menschen zu veranlassen, bestimmte Dinge zu tun: eine Kerze am Freitagabend vor Sonnenuntergang anzuzünden, jeden Tag einige Münzen in eine Spendenbüchse zu werfen, jeden Morgen den Tefillin zu tragen usw. Der Rebbe betonte immer wieder: Debattiert nicht, verliert euch nicht in Philosophie. Kümmert euch nur darum, daß die Menschen etwas tun, und besprecht das später. Viele kritisierten die Kampagne wegen dieser Betonung des Handelns. «Die Menschen müssen verstehen, was sie tun, sonst sind es nur leere Rituale», argumentierten sie.

Die Menschen werden nicht durch Argumente verändert, auch nicht durch Philosophie. Menschen wandeln sich durch Handeln. Führe eine neue Gewohnheit in dein Leben ein, und deine Sicht der gesamten Welt wird sich verändern. Handle zuerst, dann lerne mehr darüber, was du tust.


Jedes Geschöpf ist sowohl die Sonne als auch der Mond.

Die Sonne schenkt uns ständig von ihrer Wärme und ihrem Licht. Der Mond spiegelt das Licht, das er von der Sonne empfängt.

So gibt es auch in G-ttes Welt nichts, das nur nehmen darf, ohne zu geben. Und es gibt nichts, das nur geben darf, ohne zu empfangen. Jedes Geschöpf muß sowohl geben als auch empfangen, rnuß die Sonne und der Mond sein.


Jedes Geschöpf ist sowohl die Sonne als auch der Mond.

Die Sonne ist beständig - jeden Tag steigt derselbe Feuerball am Himmel auf. Der Mond macht jedoch einen ständigen Wechsel durch: An einem Tag ist er ganz, dann nimmt er ab, bis er vollständig verschwindet, und dann wird er doch erneuert und kehrt aus dem Nichts zurück.

So muß auch jedes Geschöpf wie der Mond größer werden und sich wandeln - und doch immer so beständig bleiben wie die Sonne. Wachse, wandle dich und lerne ständig dazu - und ruhe doch fest in dir, im Wissen, wer du bist.


Ein Gefäß wird durch seinen Inhalt bestimmt: Ein Wasserkrug ist Wasser, eine Apfelkiste ist sein Inhalt. Ein Haus wird auch durch das bestimmt, was es enthält.

Fülle dein Haus mit Büchern der Thora, und dein Haus wird zu einer Thora. Hänge Spendenbüchsen auf, und dein Haus wird zu einer Quelle von Tzedaka. Bringe jene, die ein warmes Heim brauchen, an deinen Tisch, und dein Haus wird zu einer Leuchte in der Dunkelheit.


Wenn du etwas wirklich wichtig nimmst, hat es seine eigene, festgesetzte Zeit. Wenn du ernsthaft an etwas arbeitest und das Telefon läutet, überhörst du es.

Die spirituelle Seite deines Lebens ist weder ein Hobby noch ein Luxus - es ist der wahre Zweck deines Lebens. Wenn du die Thora studierst, meditierst oder betest, gibt es nichts anderes. Dein spiritueller Fortschritt sollte mindestens dieselbe Priorität haben wie deine weltliche Karriere und Erfolg.