Im Garten des Hauses, in dem der Rebbe seine Kindheit verbrachte, stand ein großer Baum. Die Mutter des Rebbe erzählte, daß er mit fünf Jahren bis zur Spitze dieses Baums geklettert war. Sie rief ihm zu: «Mendel! Wie kommt es, daß alle anderen Kinder, die versuchen, diesen Baum hochzuklettern, herunterfallen, du es aber bis zur Spitze schaffst?» Ihr Sohn erwiderte: «Die anderen schauen nach unten, werden nervös und fallen herunter, aber ich schaue nur nach oben, und wenn du nur nach oben schaust, fällst du nicht herunter.»


Es ist eine jüdische Sitte, am heiligen Tag von Rosh Hashana an einen Teich oder Fluß zu gehen und dort bestimmte Gebete zu sprechen. In Brooklyn, New York, ist es nicht ganz einfach, Wasser innerhalb einer Spaziergangentfernung zu finden. In den frühen Jahren der Führung durch den Rebbe gab es jedes Jahr eine ganze Parade zum Botanischen Garten von Brooklyn, bei der alle Chassidim mitmarschierten, mit dem Rebbe an der Spitze.

Einmal kam der Rebbe sehr spät zur Parade heraus. Als der Zug beim Botanischen Garten anlangte, waren die Tore schon geschlossen. Es gab niemanden, der sie öffnen konnte.

Die Mauer um den Garten dort ist ziemlich hoch. Der Rebbe schaute die Wand empor und sagte leise zu seinem Helfer: «Was glaubst du, wie hoch die Wand ist?»

Der Helfer hatte keine Zeit zur Antwort; der Rebbe kletterte sie bereits hoch.

Sobald sie bemerkten, was geschah, eilten einige Chassidim herbei, um dem Rebbe zu helfen. Er schaute herunter und sagte:

«Wenn ihr es mir erlaubt, das allein zu machen, glaube ich, daß ich sehr viel erfolgreicher sein werde.»

Das war der Tag, an dem Hunderte von Chassidim die Mauer des Botanischen Gartens von Brooklyn überwanden.

Es war auch der Tag, an dem die Chassidim lernten, daß der Rebbe meinte, was er predigte. Und zwar wörtlich.


Es gibt Hindernisse im Leben. Die meisten Menschen meinen: «Wenn du sie nicht überwinden kannst, mußt du sie umgehen oder unter ihnen hindurchschlüpfen.»

Meine Einstellung beginnt und endet, damit, Hindernisse und Probleme zu überwinden, indem man sich über sie erhebt. Dafür sind sie da: damit du dich über sie erhebst.


Bei seinem Auszug aus Ägypten zum Berge Sinai stieß das jüdische Volk auf ein Hindernis - das Rote Meer. Die Menschen teilten sich in vier Gruppen. Eine Gruppe war bereit zu kämpfen. Eine andere schlug vor, sich zu ergeben und zurückzukehren. Wiederum eine andere Gruppe riet zum Massen-Selbstmord. Doch die vierte schließlich begann zu beten.

G-tt sprach zu Moses und sagte: «Warum rufst du mich an? Ich trug dir auf, geradewegs weiter zu reisen. Fahre fort auf deinem Weg und du wirst sehen, daß es kein Hindernis gibt.» Das jüdische Volk setzte seinen Weg fort, und das Hindernis verwandelte sich in ein Wunder.


Die Menschen denken, daß G-tt erst eine Welt schuf und uns dann Anweisungen gab, die wir befolgen sollten, um nichts durcheinander zu bringen. Die Wahrheit ist jedoch, dass erst die Anweisungen kamen und dann die Welt so geschaffen wurde, daß sie als Mittel diente, die Anweisungen auszuführen.

Deshalb wäre es absurd, zu sagen, daß irgend etwas in der Welt ein Hindernis dafür darstellen könnte, nach dem Willen des Schöpfers zu handeln. Es gibt nichts, was sich dem Sinn und Zweck der Schöpfung widersetzt - es gibt nur Herausforderungen und Prüfungen.


Schwierigkeiten im Leben sind die Art und Weise, wie die materielle Welt uns bittet: «Reinige mich! Erhebe mich!»


Die Herausforderungen und Prüfungen des Lebens sind die Isometrie der Seele.


Nimm die Welt und ihre Dunkelheit nicht so ernst. Sie ist nicht so real, wie sie sich gibt. Sie ist nur eine Schöpfung, und sie wird in jedem Augenblick aus dem absoluten Nichts neu erschaffen. Das einzig Wirkliche daran ist ihr Sinn und Zweck: daß du sie reinigen sollst.


Im Hebräischen ist das Wort für Welt (olam) und das Wort für Verborgenheit (hellem). Beide Begriffe sind nah verwandt. Die Welt besteht nur, weil sie ihre wahre Identität verbirgt. Sie gibt vor, deine Gegnerin zu sein, aber tatsächlich unterstützt sie dich.


So etwas wie eine Niederlage gibt es nicht. Es gibt immer wieder eine neue Chance. An die Niederlage zu glauben, heißt zu glauben, daß es etwas oder einen Zeitpunkt gäbe, die ihren Ursprung nicht im G-ttlichen haben.

G-tt hat keine Fehler. Wenn Dinge schlimmer zu werden scheinen, ist das nur eine Etappe innerhalb des Prozesses, besser zu werden. Wir stürzen nur, um uns wieder um so höher aufzurichten.

Adam war das unmittelbare Werk G-ttes. Kein anderes menschliches Wesen könnte je so herrlich sein. Und doch gab er der einzigen Versuchung, der er widerstehen sollte, nach.

Dies lehrt uns, daß die größten Herausforderungen im Leben jene sind, die dem Lebensziel am ehesten entsprechen. Das geht so weit, daß du, um dein zentrales Lebensziel zu erkennen, nur dorthin blicken mußt, wo deine größten Herausforderungen sind.


Manchmal scheint es so, als ob es Orte gäbe, die für G-tt unerreichbar sind. Ein Hindernis zum Beispiel, das es einem unmöglich macht, Gutes zu tun. Ein Freund, den man nicht erreichen kann, um ihn um einen Gefallen zu bitten. Eine Versammlung von Menschen, die ohne Sinn und Nutzen zu sein scheint.

In einer solchen Situation sollten wir all unsere Überlegungen über Bord werfen und einfach etwas tun. Unsere Aufgabe ist es nicht, das ob und wo festzulegen. Wir müssen nur entscheiden, wie. Tu etwas, und du wirst Wunder erleben.


Diese Welt funktioniert durch Chuzpe. Sie hat die Chuzpe, sich als Welt zu präsentieren, vorzugeben, daß sie autonom vom Schöpfer sei, und sie hat die Chuzpe, jegliche Beziehung zu gerade jener Kraft zu leugnen, die sie in jedem Augenblick hervorbringt. Wir bekämpfen Chuzpe mit Chuzpe.


Gefangenschaft beginnt, wenn du glaubst, daß du klein bist und die Welt groß. Wenn du das erst einmal glaubst, wirst du als nächstes meinen, daß sie auf dich tritt, und dich davor fürchten.

Und dann gehorchst du der Welt, du rennst ihr hinterher. So wirst du zu ihrem Sklaven, der zwar nach dem Wasser der Seele dürstet, sich aber noch nicht einmal mehr erinnern kann, wo er danach suchen muß.

Die Welt zu fürchten heißt, die Einheit ihres Schöpfers zu leugnen.


Als die Kundschafter, die Moses ins Land Kanaan gesandt hatte, zurückkamen, enthielt ihr Bericht die folgenden Worte:

«Wir fühlten uns wie Ameisen vor ihnen, und das waren wir auch in ihren Augen.» Da sie sich in ihren eigenen Augen wie Ameisen fühlten, sahen andere in ihnen ebenfalls Ameisen.


Wenn jemandem ein bestimmtes Ziel wirklich wichtig ist und er es aus bestimmten Gründen nicht erreicht, läßt er sich nicht durch den Umstand zufriedenstellen, daß er eine gute Ausrede hat. Wenn das Ziel nicht erreicht wurde, wurde es nicht erreicht -gleichgültig, wie die Ausrede lautet.