Im Süden Englands, am Meer gelegen, gibt es eine hübsche Stadt, die Ramsgate genannt wird. Um sie zu erreichen, reist man, von London aus, einige Stunden. Dort kann man das berühmte Montefiore-Museum besichtigen, in dem man viele interessante Dokumente und verschiedene Artikel betrachten kann, die eine Verbindung zum Leben und den Bemühungen des berühmten Juden, Moses Montefiore, haben. Daneben wurde eine Synagoge gebaut und neben ihr ist eine Grabstätte, eine exakte Kopie des Grabs von ‚unserer Mutter Rachel’, welche die Gräber von Moses Montefiore und seiner Frau Judith beinhaltet. Auf der Liegenschaft befindet sich eine Jeschiwa, wo eine Anzahl von Studenten, sefardischer Herkunft, studieren.
Dies sind die Gedenkstätten, welche Moses Montefiore nach seinem Tod hinterlassen hat. Aber das größte Denkmal, welches er hinterlassen hat, ist sein guter Name, welchen er sich durch den Dienst an seinem Volk erworben hat.
Moses Montefiore widmete sich mit voller Hingabe der öffentlichen Wohlfahrt, er war ein Vermittler und Fürsprecher für seine Brüder und Schwestern, ein Staatsmann und ein Diplomat. Überall wo ihn Könige und Prinzen freundlich empfingen, verteidigte er immer mit Stolz und Stärke die ‚jüdische Position’, tat für seine Glaubensbrüder, in verschiedenen europäischen Ländern, was ihm möglich war.
Moses Montefiore wurde am 13. Cheschwan, 5545 (1784), in der italienischen Stadt Livorno geboren. Sein Großvater, Moses Chaim Montefiore, war ein sefardischer Jude aus eben dieser Stadt, der sich später in London niederließ. Er hatte 17 Söhne, von denen einer, Josef Elijah, der Vater von Moses war. Als Joseph Elijah sich, zusammen mit seiner Frau, aus geschäftlichen Gründen in Livorno befand, wurde Moses dort geboren.
Moses Montefiore wurde in einer Atmosphäre von Thora und Mitzwot in England aufgezogen, und er blieb sein ganzes Leben ein überzeugter und gläubiger Jude. In London begründete er, zusammen mit seinem Bruder Abraham, eine große geschäftliche Unternehmung. Sie hatten geschäftliche Kontakte mit den Rothschilds: engagierten sich im Finanzbereich, großen industriellen und kommerziellen Unternehmungen. Sie gründeten ein Versicherungsunternehmen; eine Gasgesellschaft, welche die Gasbeleuchtung in vielen bedeutenden europäischen Städten einführte. Gleichfalls engagierten sie sich im Bau von Eisenbahnen und in vielen anderen industriellen und finanziellen Unternehmungen.
Moses Montefiore kam so zu großem Reichtum und wurde sehr berühmt. 1837 wurde er zum „Sheriff“ von London ernannt. Er war der zweite Jude, der diese bedeutende Position einnehmen durfte. Im gleichen Jahr verlieh ihm Königin Victoria, die eben den britischen Thron bestiegen hatte, die „Ritterschaft“, so dass er den Titel „Sir“ tragen durfte, und im Jahre 1846 wurde er in den Rang eines Barons erhoben. Er bekleidete eine Vielzahl von bedeutenden Positionen, unbd dies sowohl in jüdischen, wie auch in gesellschaftlichen Kreisen.
Moses Montefiore unterschied sich von bestimmten anderen Juden, welche zu Reichtum gekommen waren, und sich leider von ihrer Religion abwandten. Moses Montefiore blieb sein ganzes Leben ein religiöser Jude. Bereits in jungen Jahren nahm er Anteil an dem Leben und den Schwierigkeiten anderer Juden. Später nutzte er seinen Einfluss dafür, dass die Juden in England die gleichen Rechte bekamen. Er war Gabbai der sefardischen Gemeinden Londons und wurde sechs Mal zum Rosch HaKahal gewählt. Für 36 Jahre war er der Vorsitzende des „Jewish Board of Deputies“ – der Organisation der Vereinigten Gemeinden und gewählter jüdischer Funktionäre, die das britische Judentum repräsentierten. Als er, im Alter von 90 Jahren, seine Position aufgab, gab ihm der Bund der Vereinigten Gemeinden Englands ein Abschiedsgeschenk – 12'000 Pfund Sterling. Er spendete die gesamte Summe für den Bau von Häusern für Bedürftige in Jerusalem. Als orthodoxer Jude liebte er das Land Israel von Natur aus und unterstützte die entsprechenden Institutionen auf das Großzügigste. Er besuchte Israel sieben Mal, das letzte Mal 1875, im Alter von 91 Jahren. Wenn wir bedenken, dass eine Reise in diesen Tagen mit großen Schwierigkeiten verbunden war, können wir verstehen, was es für einen Menschen, in einem solchermaßen fortgeschrittenen Alter, bedeutet, eine derartige Reise zu unternehmen. Er widmete einen großen Teil seines Vermögens dem Engagement in Israel; er baute Synagogen, unterstützte Jeschiwot und gründete eine Vielzahl bedeutender Organisationen. Er hatte 1866 über dem Grab von Rachel eine prächtige Grabstätte errichten lassen. Die Juden in Eretz Israel betrachteten ihn als einen von G’tt gesandten Boten, der ihnen in ihrer größten Not Hilfe zuteil werden ließ.
Als die furchtbaren „Blutbeschuldigungen“ 1840 in Damaskus aufkamen, kam Sir Moses Montefiore persönlich, um die fälschlicherweise beschuldigten Juden zu verteidigen. Die abscheuliche, verleumderische falsche „Blutbeschuldigungen“ (, dass Juden christliches Blut in den Matzot für Pessach verwenden würden), die so viele jüdische Leben in den dunklen Zeiten des Mittelalters gekostet hat, wurde in Damaskus neu aufgebracht, und bedrohte nicht nur die Leben der Beschuldigten, sondern die Leben der Mitglieder der ganzen Gemeinde, sowie der Juden überall. Sir Moses Montefiore (mit der Unterstützung anderer prominenter jüdischer und nichtjüdischer Führer) überzeugte den Sultan ein „Firman“ (Dekret) zu erlassen, in dem er die Blutbeschuldigung als falsch erklärte und ihre neuerliche Verbreitung verbot.
1846 lud die russische Regierung Sir Moses Montefiore offiziell ein Russland zu besuchen, in Verbindung mit einer Debatte über die Situation der Juden in Russland. Die zaristische Regierung, unterstützt durch einige Führer der „Haskalah-“Bewegung, versuchte die breiten Massen des russischen Judentums zu russifizieren, d.h. zu assimilieren. Die Regierung hoffte, dass sie, mit der Unterstützung einer so bedeutenden jüdischen Persönlichkeit, wie Sir Moses Montefiore, ihren Kampf gegen die Führer des religiösen Judentums in Russland, die es ablehnten mit der Regierung in dieser Angelegenheit zusammenzuarbeiten und jeder Bestrebung der Assimilation entgegentraten, gewiss gewinnen würde. Der damalige Lubawitscher Rebbe, der Tzemach Tzedek, stellte sich mit seinem Körper und seiner Seele den Bemühungen der Regierung entgegen, die zur Assimilation führen sollten.
Sir Moses Montefiore nahm die Einladung an, allerdings nicht mit der Absicht ein Werkzeug in der Händen derjenigen zu werden, die der Assimilation Vorschub leisten wollten, sondern um sich persönlich mit der Situation der Juden in Russland vertraut zu machen, die zum damaligen Zeitpunkt den größten Teil des Judentums in der Welt bildeten. Mehr noch, er wollte sehen, was er gegen die Bedrohungen und Pogrome tun konnte, die die russischen Juden so häufig heimsuchten.
Als Sir Moses Montefiore in Petersburg ankam, begrüßten ihn Graf Kissiliew, der Minister des Inneren, und Uwarow, der Minister für Bildung, mit einer langen Liste von „Beschuldigungen“ gegen das russische Judentum und seine religiösen Führer.
Sir Moses Montefiore verließ sich nicht auf die Beweisführung der antisemitischen Minister und der fehlgeleiteten und fehlleitenden Maskilim. Er unternahm eine Reise durch die Städte und Dörfer, wo die Juden lebten, und verfasste, nach seiner Rückkehr nach London, von dem auf der Reise gesammelten Material zwei Memoranden. Ein Memorandum sandte er an den russischen Minister des Inneren und das andere an den Minister für Bildung. Sir Moses Montefiore schrieb an sie in einer höflichen, aber bestimmten Art, dass das „jüdische Problem in Russland“ nichts mit der jüdischen Bildung zu tun hatte, welche sich auf einem hohen Niveau befand. Er wies die falschen Anschuldigungen, die gegen die Juden erhoben wurden, zurück und beschuldigte die Regierung für ihr verwerfliches Handeln gegenüber den Juden; er beschrieb die furchtbare ökonomische Situation der Juden, die durch die staatlichen Dekrete, Vertreibungen, Pogrome und ökonomischer Sanktionen zustande gekommen war. Er forderte gleiche Rechte für die Juden und betonte, dass dies auch zum großen Vorteil für das Land gereichen würde.
Dank der großen Selbstaufopferung der russischen Juden, die in ihren Bemühungen durch die Anstrengungen Sir Moses Montefiores bestärkt und ermutigt wurden, gab die Regierung schließlich viele ihrer Pläne auf, die die Bekehrung und Assimilation der russischen Juden zum Ziel hatten. Auch die ökonomische Situation wandte sich, aufgrund der Empfehlungen Sir Moses Montefiores, zum Besseren.
1872 besuchte Sir Moses Montefiore Russland ein weiteres Mal und wurde durch Zar Alexander II. empfangen. Sir Moses Montefiore nahm die aufkommende neue Klasse jüdischer Geschäftleute und Handwerker (seit seinem ersten Besuch) freudig zur Kenntnis, aber er bemerkte nicht die Assimilation, welche sich in dieser neuen, „höheren“ Klasse ausgebreitet hatte.
Sir Moses Montefiore erhielt ebenfalls eine Audienz beim Papst in Rom (1858), als er sich für einen italienisches jüdisches Jungen einsetzte, der als kleines, krankes, bettlägeriges Kind konvertiert worden war. Die nichtjüdische Magd „besprengte ihn mit Wasser“ und die Kirche erklärte ihn zum Christen. Der Junge wurde gewaltsam seinen Eltern entrissen und als Christ erzogen. Der Fall des Kindes Murtara bewirkte einen großen Sturm der Entrüstung, aber keine Intervention half, das Kind zu seinen jüdischen Eltern zurückzubringen.
Auf einer Reise in Rumänien, wo er zum Zwecke der Hilfe für seine jüdischen Brüder und Schwestern weilte, fand sich Sir Moses Montefiore selbst in tödlicher Gefahr wieder, als ein wilder Mob versuchte ihn anzugreifen. Er rettete sein Leben mit knapper Not. Nichts schreckte ihn ab, wenn es darum ging den armen und bedrängten Brüdern und Schwestern zu helfen.
Sir Moses Montefiore verstarb am 13. Aw 5645 (1885) in dem hohen Alter von über 100 Jahren.
Das Montefiore Museum enthält eine große Sammlung von Kunstgegenständen aus Gold und Silber, die Sir Moses Montefiore als Geschenke von Königen und Regenten erhalten hatte, wie auch Dokumente großer historischer Bedeutung. Seine Jahrzeit wird gerade von den Institutionen begangen, die auch zum heutigen Tage noch Gelder aus den Fonds erhalten, die er zu diesem Zwecke angelegt hatte.
ב"ה
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