Unser Wochenabschnitt bildet den Abschluss und den Höhepunkt des Heiligtums. Darin wird geschildert, wie das Heiligtum aufgebaut und eingeweiht wurde. Es war Mose, der das Heiligtum sieben Tage lang einweihte. Am achten Tag wurde die Einweihung vollendet und die Schechina (G-ttesgegenwart) weilte im Heiligtum.

Bei näherer Betrachtung über den G-ttesdienst Moses an jenem Tag, fällt auf, dass er zuerst die Geräte des Heiligtums an ihrem Platz positionierte und mit ihnen den Tempeldienst verrichtete: Er gab den Tisch in das Zelt und ordnete darauf die Schaubrote; er stellte die Menora auf und zündete die Lichter; er positionierte den goldenen Altar und brachte den Weihrauch dar.1 Erst danach stellte er das Heiligtum fertig auf: Er richtete den Vorhof rings um das Zelt auf.2

Unübliche Reihenfolge

Üblicherweise baut man zuerst ein Haus, danach erst möbliert man es und wohnt darin. Ebenso war es bei den Wüstenwanderungen des jüdischen Volkes. Zuerst baute man das Heiligtum auf und erst danach positionierte man die Geräte und vollbrachte den Tempeldienst.

Weshalb änderte Mose bei der Tempelarbeit am achten Tag die Reihenfolge und begann mit dem G-ttesdienst noch bevor er das Heiligtum fertig errichtet hatte?

Die Antwort lautet, dass jener achte Tag etwas Besonderes war, denn an diesem begann die Schechina im Heiligtum zu ruhen. Dies zeigte sich auch in der ungewohnten Weise des Tempeldienstes. Die Thora will damit eine besondere Art des G-ttesdienstes zum Ausdruck bringen, von dem wir auch heute lernen können.

Eine gute Beute

Es gibt allgemein zwei verschiedene Pfade im G-ttesdienst: Den üblichen Dienst, der geordnet und stufenweise abläuft, Schritt für Schritt in Richtung G-tt. Doch wie jeder schrittweise Prozess, hat auch ein Dienst auf diese Weise seine Grenzen und Hemmungen. Manchmal aber besteht die Notwendigkeit, diese Grenzen zu überwinden, indem man G-tt auf unüblicher Weise dient, wie der Talmud sagt: „Erbeute das was du kannst und iss es gleich; erbeute dir was du kannst und trink es gleich!“3

Es gibt Zeiten im Leben des Menschen, wie auch eines ganzen Volkes und der ganzen Welt, in denen man nicht schrittweise vorwärtskommen kommen soll, sondern jede Mitzwa, die einem in die Hände fällt, hat man zu „erbeuten“, auch wenn man sich noch nicht auf diesem Niveau für die eine oder andere Mitzwa sieht.

Die Lehre der Chassidut erklärt, dass die Ära vor dem unmittelbaren Kommen des Maschiach, in der wir uns befinden4, so eine Zeit ist, wo man ohne viele Überlegungen jede Mitzwa zu erbeuten hat. In dieser Zeit muss man G-tt mit aufopfernder Hingabe dienen, ohne den gewöhnlichen, stufenweisen Dienst berücksichtigen zu müssen.

Auch der Anfänger kann Mitzwot erfüllen, von denen er meinte, dazu erst in einigen Jahren bereit zu sein (wie gänzlich Schabbat einzuhalten); oder die normalerweise ein sehr Gläubiger vollbringen würde (wie das zusätzliche Paar Tefillin „Rabenu Tam“5 anzulegen). Er kann auch bereits sein Wissen in der Thora mit anderen teilen, obwohl er kein Rabbi ist. So soll auch der Fortgeschrittene sein Niveau in der Thora und Mitzwot auf eine solche Weise steigern, wie er es nie zu erreichen wagte. Darin liegt die Bedeutung von „Erbeute das, was du kannst und iss es gleich!“

Befähigt durch Mose

Die Kraft für diesen außergewöhnlichen G-ttesdienst erhalten wir durch den außergewöhnlichen G-ttesdienst Moses an jenem schicksalhaften, achten Tag der Einweihung, als er die Reihenfolge im Heiligtum nicht berücksichtigte und den Tempeldienst auf außerordentliche Weise verrichtete. Dadurch ebnete Mose für alle Generationen, doch vor allem für unsere Generation, in welcher der Maschiach unmittelbar bevorsteht, den Weg, G-tt außerordentlich zu dienen!

(Likutej Sichot, Band 31, Seite 218)