Einmal war der Winter in Liosna im Jahre 5647 (1786-7) sehr streng. In den Tagen vor Sukkot fiel der erste Schnee, und man musste Pelze und warme Schuhe tragen, wenn man in der Sukka saß. Oft mussten die Leute die Sukka vom Schnee freischaufeln, wenn sie darin essen wollten.

Die meisten Gäste, die zum Simchat Tora nach Liosna gekommen waren, froren sehr. Viele von ihnen hatten hohes Fieber oder erfrorene Zehen und Finger. An Rosch Haschana erkundigte sich der Alter Rebbe, welche Chassidim krank waren. Dann saß er eine Weile in tiefem dweikut da, den Kopf auf die Hände gestützt. Danach öffnete er die Augen und sagte in seinem typischen Tonfall: „Die Tora wird als strenges Gesetz bezeichnet. Bringt alle Kranken zum hakafot, denn ein Feuer verzehrt das andere. Das Feuer von Simchat Tora wird das Feuer des Fiebers verzehren.“

An Schmini Azeret, nach dem Abendgebet, ging eine Gruppe junger Männer in die Gastwirtschaften des Ortes, um alle Besucher der Stadt in die Synagoge zum Hakafot einzuladen. In dieser Nacht fielen Schnee und Regen, und es war windig. Die Straßen waren matschig. Das hielt die Kranken jedoch nicht davon ab, in die Synagoge zu gehen. Viele konnten mit etwas Unterstützung selbst gehen, andere musste man tragen.

Die Synagoge war mit Menschen gefüllt, einige von ihnen krank. Manche stützten den Kopf auf die Hände, andere lagen auf dem Boden, andere husteten ständig. Einige stöhnten herzerweichend.

Der Alter Rebbe war es gewohnt, an Schmini Azeret nach dem Abendgebet mit einigen ausgewählten Schülern Hakafot abzuhalten. Dann folgten Kiddusch in der Sukka und Hakafot in der großen Synagoge mit der ganzen Gemeinde.

Als der Rebbe in diesem Jahr die Sukka zum Kiddusch betrat, ließ er drei Chassidim rufen. Einer von ihnen war Kohen, einer ein Levi und einer ein Israel; sie bildeten also ein rabbinisches Gericht. Als sie kamen, sagte der Rebbe zu Ihnen: „Ich brauche ein rabbinisches Gericht, also einen Kohen, einen Levi und einen Israel, und ich habe euch dafür ausgewählt. Hört dem Kiddusch zu, antwortet nach jedem Segen mit Amen und bekräftigt mein Anliegen innerlich.“

Nach dem Kiddusch goss der Rebbe den restlichen Inhalt seines Kelches in eine Weinflasche und wies die Mitglieder des Gerichts an, diesen Wein mit anderem Wein zu mischen und den Kranken zu geben - das werde sie vollständig heilen. Außerdem ließ er ankündigen, jede Frau, die unfruchtbar sei oder eine Fehlgeburt gehabt habe, solle ebenfalls von dem Wein trinken.

Als die Mitglieder des Gerichts die Synagoge betraten, wurde es still. Alle wussten bereits, dass der Rebbe sie als Boten der Heilung geschickt hatte, und alle sahen sie ehrfürchtig an.

Die drei Männer gingen zur Bima. Einer von ihnen wiederholte die Worte des Rebbe mit lauter Stimme, Wort für Wort, und fügte dann hinzu: „Es ist Tradition, dass ein Segen sich nur dann erfüllt, wenn der Gesegnete den Segen verdient, an den Segen glaubt und bereit ist, den Willen des Segnenden zu erfüllen, um G-tt zu dienen.“

Dann begann die Verteilung des Weines. Am nächsten Tag redeten alle über das Wunder, das geschehen sei. Der Arzt sagte, einige ältere Patienten seien beinahe von den Toten auferstanden.1