In Berditschew lebte ein Mann namens Hirschele, dem jedes Geschäft misslang. Natürlich war er nicht glücklich. Seine Nachbarn mieden ihn, und seine Frau schimpfte mit ihm. Am Vorabend von Jom Kippur hoffte er, vor dem Fasten einen Happen zu essen – aber womit hätte seine Frau eine Mahlzeit zubereiten sollen? Anstelle eines kargen Mahls bekam Hirschele Schelte von seiner enttäuschten Frau. Also trottete er mit knurrendem Magen in die Synagoge, wo alles in Erwartung des großen Tages glänzte und strahlte. Er fühlte sich noch schlechter, als er die anderen Gemeindemitglieder betrachtete. Alle trugen einen blütenweißen Kittel und Talit. Er versuchte, das zornige Knurren seines Magens zu ignorieren; aber je mehr er sich anstrengte, desto geringer war der Erfolg. Dann hatte er eine Idee. Vielleicht würde ihm Reb Baruch, ein reicher Geschäftsmann, der in der ersten Reihe saß, eine Prise Schnupftabak geben. Das würde ihn vielleicht so aufmuntern, dass er beten konnte.
Zaghaft ging er nach vorne und tippte Reb Baruch auf die Schulter. „Schalom Aleichem, Reb Baruch. Würdest du mir ein wenig Schnupftabak geben?“ Reb Baruch drehte sich ungläubig um. Wer hatte den Nerv, sein Gebet in der heiligsten aller Nächte zu unterbrechen und um Schnupftabak zu bitten? Als er sah, dass es der arme Hirschele war, warf er ihm nur einen kurzen Blick zu und sagte abfällig: „Jetzt?“ Gedemütigt schlich Hirschele an seinen Platz zurück. „Ich bin nicht einmal eine Prise Tabak wert“, dachte er.
Niemand in der Synagoge bemerkte den Vorfall. Aber oben im Himmel waren die Engel empört. Wie konnte dieser reiche Mann seinen armen Bruder so behandeln? Sie beschlossen, dass sich im kommenden Jahr alles ändern sollte. Das Rad des Schicksals würde sich wenden, und Hirschele, den man bald Reb Hirsch nennen sollte, würde zum ersten Mal in seinem Leben ganz oben sein. Reb Baruch würde hingegen tief fallen. Also bekam Hirschele gleich nach Jom Kippur eine unerwartete Erbschaft von einem verstorbenen Verwandten und investierte das Geld in Waren. Er erzielte einen enormen Gewinn, den er wieder investierte. Erneut hatte er großen Erfolg, und von da an gelang ihm alles, was er anfing.
Gleichzeitig begann Reb Baruch Geld zu verlieren. Er ging zu seinem Rebbe, Reb Levi Jizchak von Berditschew, der ihn fragte: „Hast du irgendetwas mit Reb Hirsch zu tun?“ Zuerst fiel Reb Baruch nichts ein; aber dann erinnerte er sich daran, dass er Hirschele an Jom Kippur keinen Schnupftabak gegeben hatte. „Das muss es sein!“, sagte der Rebbe. „Deswegen hat der Himmel beschlossen, dass du Geld verlierst und dass er reich wird.“
Reb Baruch wurde von Reue ergriffen. „Wie kann ich das wieder gutmachen?“, fragte er. Reb Levi Jizchak sah ihn an. „Das wird nicht leicht. Aber wenn du Reb Hirsch um eine Prise Schnupftabak bittest und er dich abweist, kannst du Hoffnung schöpfen.“
Viele Jahre vergingen, und Reb Baruch war immer noch bitter arm. Reb Hirsch war jetzt ein angesehenes Mitglied der Gemeinde. Seine Tochter verheiratete er mit dem Sohn des Rabbiners von Schitomir. Die ganze Stadt freute sich auf das große Ereignis. Reb Baruch war besonders erwartungsvoll, denn er wollte seinen Reichtum zurückgewinnen. Als das junge Paar unter dem Baldachin stand, umgeben von den Eltern, ging er leise zu Reb Hirsch und fragte: „Könnte ich eine Prise Schnupftabak haben?“ Ohne nachzudenken, holte Reb Hirsch seine vergoldete Tabakdose aus der Tasche und reichte sie ihm. Sofort fiel Reb Baruch ohnmächtig zu Boden. Die Menge wurde aufmerksam. Als Reb Baruch wieder zu sich kam, fragte ihn Reb Hirsch: „War ich etwa an deiner Ohnmacht schuld?“ Reb Baruch erwiderte: „Bitte lass uns unter vier Augen darüber reden.“ Die beiden setzten sich, und Reb Baruch berichtete, was ihm widerfahren war und was Rab Levi Jizchak gesagt hatte. Sie vereinbarten, gemeinsam zum Zadik zu gehen und seinen Rat zu befolgen.
Der Raw von Berditschew hörte ihnen zu und wandte sich dann an Reb Hirsch. „Bist du bereit, Reb Baruch einen Teil deines Vermögens zu geben?“ Reb Hirsch beschloss, seinen großen Reichtum mit Reb Baruch zu teilen, und von da an lebten die beiden wie Brüder in Wohlstand und Gesundheit zusammen.
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