Zu Beginn der Sidra Behar befasst die Tora sich mit dem Gebot der Schmitta (Lev. 25:2): „Wenn ihr in das Land kommt, welches Ich euch gebe, dann soll das Land einen Schabbat für G-tt feiern.“ Und später in der der Tora heißt es (Deut. 15:1-2): „Am Ende von sieben Jahren sollst du eine Schmitta halten. Und dies ist das Anliegen von Schmitta: Jeder Gläubiger soll seine Schuldforderung gegen seinen Nebenmenschen erlassen; er darf seinen Nebenmenschen und seinen Bruder nicht auf Zahlung drängen, denn eine Schmitta hat er vor G-tt ausgerufen.“
Zwei der grundlegenden Schmitta-Gesetze sind diese: Alle noch ausstehenden persönlichen Schulden sind durch die Schmitta, die am Ende dieses besonderen Jahres in Kraft tritt, aufgehoben. Zweitens: Schulden, die bei einem Bet Din (rabbinischen Gerichtshof) eingetragen worden sind, werden von der Schmitta nicht betroffen, sondern können weiterhin eingezogen werden. – Wenn jemand vor der Schmitta Geld leiht, wird er darauf hingewiesen, dass die redlichste Handlungsweise für ihn darin besteht, die Anleihe schon vor dem Ende des Jahres zurückzuzahlen, an dem sie sonst nicht mehr einkassiert werden könnte. Wenn der Gläubiger dagegen die Anleihe bei einem Bet Din registriert, so bleibt sie bestehen, und der Schuldner kann dann die Rückzahlung nicht verweigern.
Das Prinzip von Schmitta nun sollte auch in unseren Beziehungen zu G-tt in Anwendung kommen; denn hier sind wir die „Schuldner“, und G-tt ist der „Gläubiger“. G-ttes Segnungen erhalten wir nicht als freies Geschenk, sondern wir müssen für sie „zahlen“. Sie sind uns auf Kredit gegeben, weil G-tt es wünscht, dass wir Seine Gunstbezeigungen auch verdienen, statt sie als bloße milde Gabe hinzunehmen. In den „Sprüchen der Väter“ (3:20) ist dies so ausgedrückt: „Das Hauptbuch ist offen, die Hand schreibt, und wer borgen will, komme und borge.“ Auch hier ist der Akzent auf „Borgen“ und „Verleihen“ gelegt, nicht auf ein „Geschenk“ oder die „Annahme einer Gabe“.
Unsere Rückzahlung an G-tt muss Seinen Segnungen angemessen sein. Wenn wir mit Kindern gesegnet sind, besteht unsere Rückzahlung darin, dass wir sie in der Tora-Tradition großziehen. Für den Segen von Leben zahlen wir zurück, indem wir auf dem Boden der Tora unser Leben führen. Für Auskommen und Lebensunterhalt zahlen wir dadurch, dass wir einen Teil unseres Einkommens (mindestens 10 Prozent und bis zu 20 Prozent) für Zedaka (wohltätige Zwecke) geben.
Es kann jedoch vorkommen, dass wir in dieser Rückerstattung unserer Schuld nachlässig sind. Unser barmherziger G-tt kennt sehr wohl die menschlichen Schwächen, und so ordnete Er die Schmitta an, wodurch automatisch jede Schuld getilgt wird – vorausgesetzt, dass die oben erwähnten Schmitta-Gesetze in Anwendung kommen. So ist auch hier eine Frist gesetzt, während der – vor dem Ende des Jahres, an dem die Schuld aufgehoben wird – „die Schuld zurückgezahlt werden“ kann; und das ist der ehrbare Weg. Wenn dies aber nicht getan worden ist, und wir uns, dennoch, unserer ausstehenden Schuld an G-tt bewusst sind, dann sollten wir das Menschenmögliche tun, um zu verhüten, dass unsere Schulden beim Himmlischen Gericht eingetragen werden – wo doch jedermanns „Akte“ mit all den guten und schlechten Tagen sorgfältig überprüft und da Urteil dann genau nach Verdienst gefällt wird. Vielmehr sollten wir danach trachten, dass G-tt selbst sich mit unseren Schulden befasst, denn der Ewige „ist nicht auf den strengen Buchstaben des Gesetzes beschränkt, sondern Er behandelt Seine Schuldner mit Rücksicht und Barmherzigkeit“.
Um zu verdienen, dass G-tt unsere Schulden nicht „vor das Gericht“ bringt, müssen wir, die Schuldner, ebenso handeln: Wir müssen über den „Buchstaben des Gesetztes“ hinausgehen in all unseren Gedanken, Worten und Taten im täglichen Leben. Alle persönlichen Berechnungen müssen wir berücksichtigt lassen. Besondere Mühe müssen wir uns geben, all unsere früheren – in sich noch beschränkten – Handlungen zu überprüfen, in Bezug auf Kindererziehung, religiöse Praxis allgemein und – nicht zuletzt – Beiträge für Zedaka. Dann sind wir nicht mehr dem strengen Kodex des Himmlischen Gerichtes unterworfen, sondern G-tt wird gnädig mit uns verfahren: Unsere Schulden werden getilgt werden, wir werden wieder „in Kredit“ sein, und wir werden G-ttes Segnungen auch im folgenden Jahre erhalten.
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