Juden sind lustige Leute. Wir feiern die verrücktesten Dinge. Jeder von uns hat schon von Schulabschlussbällen, Diplomparty’s oder dem „Ausstand“ aus der Firma gehört. Aber wer bitte schön feiert denn heute noch einen „Einstand“ auf Arbeit?

Lassen Sie mich erklären. Stellen Sie sich vor, Sie haben jenen Traumjob, von denen all Ihre Freunde nur träumen. Dann, von einem Tag auf den anderen, erhalten Sie einen Gesprächstermin bei Ihrem Chef. Die Unterhaltung ging ungefähr so:

Chef: „Bitte nehmen Sie Platz.“

Du: „Danke schön.“

Chef: „Sie arbeiten schon lange hier – wie lang noch mal, zwölf Jahre?”

Du: „Ja, richtig. Jeder hier kümmert sich so gut um mich …“

Chef: „Ich glaube wir zahlen Ihnen ein überdurchschnittliches Gehalt samt kompletter medizinischen Versorgung, großzügigen 31 Tage bezahltem Urlaub, dazu noch extra Erholungsurlaub und Kuren …“

Du: „Ja. Dafür bin ich Ihnen auch sehr dankbar.“

Chef: „Und was sind Ihre Aufgaben und Verpflichtungen bei uns noch einmal?“

Du: „Nichts. Nada. Nothing. Ich habe keine Aufgaben noch Verpflichtungen.“

Chef: „Sie müssen nicht einmal zur Arbeit kommen, wenn Sie nicht wollen.“

Du: „Oh, aber ich komme oft. Viele Male. Es macht richtig Spaß. Ich sitze im Büro herum, schaue, wie die Arbeit gemacht wird. Manchmal helfe ich sogar aus. Sie werden erstaunt sein, wie viel ich schon dabei gelernt habe. Und ich verpasse keine Bürofeier, kein Firmenbankett oder eine Veranstaltungen. Ich gebe alles, um dabei zu sein …“

Chef: „Schön für Sie, junge Frau. Damit ist jetzt Schluss!“

Du: „W-Was meinen Sie damit?“

Chef: „Damit ist Schluss! Hier ist Ihr neuer Arbeitsvertrag. Er schildert im Detail Ihre neuen Verpflichtungen …“

Du: „Uh, wow. Dieser Arbeitsvertrag ist richtig dick und schwer. Das müssen ja mindestens 1.000 Seiten dick sein! Ein richtiges Buch!“

Chef: „Um genau zu sein, halten Sie in Ihren Händen nur die Zusammenfassung. Der Rest der Lektüre finden Sie in der Bibliothek im Erdgeschoss …“

Du: „Oh, ja ich kenne die Bibliothek. Dort stehen mehr als 10.000 Bücherbände herum …“

Chef: „Richtig, wir machen hier wichtige Aufgaben. Und heute Abend mit Sonnenuntergang werden Sie ein Teil des Firmenteams. Zunächst befolgen Sie erst einmal nur Anweisungen. Danach ist es wichtig, dass Sie Ihre Aufgaben verstehen. Die Warum’s und Wie’s hinter den Anweisungen sind von großer Bedeutung. Seit Sie bei uns sind, haben Sie schon einiges gelernt, aber hier arbeiten Leute, die ihr ganzes Leben lang Lernen und Verstehen. Wie auch immer, herzlichen Glückwunsch und viel Erfolg. Ich werde Sie für die nächsten 108 Jahre im Auge behalten!“

Du: „… einhundertacht Jahre?“

Chef: „Mindestens. Hoffentlich länger! Ach, fast hätte ich es vergessen, bitte holen Sie sich ihre neue Ausweiskarte unten im Fourier ab, bevor Sie nach Hause gehen.”

Würden Sie nach einer solchen Unterhaltung nach Hause rennen und eine Party schmeißen? Meine Tochter tat das. Diese Woche. Sie feierte Ihre Bat Mizwa, der Tag an dem sie 12 Jahre alt wurde.

Eine Bar Mizwa ist keine übergroße Geburtstagsfeier. Lea hatte schon elf von diesen. Aber diese jetzt ist anders. Was Sie jetzt feierte, war der Fakt, dass Sie 12 geworden ist – Sie wurde Bat Mizwa. Ab ihrem 12. Lebensjahr ist eine jüdische Frau verpflichtet, alle Tora-Gesetze zu halten und auszuführen.

Sie feierte den Umstand, dass Sie der Chef in Sein Büro gerufen hat und Ihr mitteilte, dass mit ihrem jetzigen Arbeitsleben Schluss sei. Bis jetzt erhielt Sie alles, was Sie sich wünschte, ohne dafür eine Gegenleistung zu erbringen. Sie war im Lern-Modus – vertrieb sich die Zeit im Büro, lernte mal Dieses und Jenes. So bekam sie ein Gefühl, wie die Dinge vonstatten gingen. Jetzt aber wurde Sie als gleichwertiger Angestellter, mit einer langen Aufgabenliste, eingestellt. Eigentlich noch mehr – Sie erhielt einen Vertrag als voll verantwortlicher Partner der Gesellschaft, um die Aktiengesellschaft mit am Laufen zu halten.

Und Sie freute sich darüber. Sie schmiss eine prächtige Party für Ihre Freunde und Familie. Wir feierten, sangen, tanzten und begingen den schönsten Tag in Ihrem bisherigen Leben.

Es kann möglich sein, wenn man im Leben alles bekommt, dass dies auch seine Vorzüge hat. Aber sehr schnell wird es bedeutungslos. Der Empfänger will mit der Zeit immer mehr. Bald schon stößt selber der großzügigste Spender an seine Grenzen. Was beim Empfänger zurückbleibt, ist Leere und Unzufriedenheit.

Deshalb feiern wir Juden keinen Ausstand im Büro. Anstatt dessen feiern wir den Tag unserer Einstellung, dem Tag des Empfangens unseres Arbeitsvertrages, der so viele Aufgaben und Verpflichtungen enthält. Auf unserer neuen Ausweiskarte steht „Voll verantwortliches Mitglied“. Denn wir wissen, dass es nicht Besseres gibt, als unser Leben selbst in der Hand zu haben.