Nach der Überlieferung erschlug Kain seinen Bruder Abel an Rosch Haschana. Abel lag regungslos auf dem Boden, und Kain erkannte, dass er ihn getötet hatte. „Was soll ich mit dem Leichnam machen?“ dachte er. Er war verwirrt, da er noch nie einen Toten gesehen hatte.

Lautes, wütendes Zwitschern veranlasste ihn, den Blick zu heben. Er sah zwei Raben, die sich stritten. Auf einmal fiel einer zu Boden - tot wie Abel. Der Überlebende grub mit dem Schnabel ein Loch in den Boden und wälzte den toten Vogel hinein. Dann deckte er ihn mit Erde zu und flog fort.

Jetzt wusste Kain, was er zu tun hatte. Er hob ein Grab aus, legte den Leichnam hinein und schüttete das Grab zu. „Ich muss weglaufen“, dachte er. Dann hörte er eine Stimme vom Himmel. „Wo ist dein Bruder Abel? Glaubst du, du kannst vor mir weglaufen?“

Kain fürchtete sich. „Ich weiß nicht, wo er ist“, antwortet er. „Soll ich denn meines Bruders Hüter sein?“

„Du törichter Sohn eines Menschen“, sagte G-tt zu ihm. „Vor mir kannst du nichts verbergen!“

Kains Herz war von Reue erfüllt. Was er getan hatte, tat ihm sehr leid. „Ist meine Sünde sogar für die g-ttliche Gnade zu groß?“ schrie er. G-tt schaute ihm ins Herz und sah, dass er aufrichtig bereute.

Also sagte G-tt: „Weil du von ganzem Herzen bereust, werde ich deine Strafe mildern. Ich verschone dein Leben, aber du sollst bis ans Ende deiner Tage ein ruheloser Wanderer sein. Dann wirst auch du durch die Hand eines Menschen sterben.“ Kain machte sich auf den Weg.

Sein Vater Adam begegnete ihm auf der Straße. „Warum bist du so traurig, mein Sohn?“ fragte er. Kain erzählte ihm alles. „Ist die Macht der Reue so groß?“ rief Adam. „Wie schade, dass ich das nicht früher gewusst habe!“

Nun betete Adam zu G-tt und bat ihn, im seine Sünde zu vergeben; denn er hatte ja vom verbotenen Baum gegessen. Er betete von ganzem Herzen, und G-tt nahm seine aufrichtige Reue an und verzieh ihm.

Kain und Adam waren die ersten Menschen, die bereuten, und denen an Rosch Haschana vergeben wurde.