Sportler müssen sich so auf ihren Wettkampf konzentrieren, dass nichts sie ablenken kann. Auch wir sind in diesem Zustand am produktivsten. Aber wie erreicht man diesen Zustand? Psychologen empfehlen Rituale.

An Operationstagen stehen viele Chirurgen zur selben Stunde auf, fahren auf demselben Weg in die Klinik und parken auf demselben Parkplatz. Sie ziehen den Operationskittel von oben nach unten an, waschen zuerst die rechte, dann die linke Hand und stellen sich genau in dieselbe Position neben den Patienten.

Das ist kein Aberglaube. Dank des Rituals kann der Chirurg sich systematisch auf die bevorstehende Aufgabe vorbereiten, und wenn die Operation beginnt, befindet er sich in tiefer Konzentration.

Rituale helfen uns aber nicht nur im Beruf, sondern sie vertiefen auch unsere Spiritualität. Nehmen wir das Gebet als Beispiel. Unsere Rituale tragen dazu bei, dass wir uns schon auf das Gebet konzentrieren, bevor wir damit anfangen.

Wenn wir zu einer wichtigen Besprechung gehen, bereiten wir uns gründlich darauf vor. Wir achten auf perfekte Kleidung, überlegen, wie wir uns benehmen müssen, und stimmen uns seelisch auf das Treffen ein. Auf dem Weg zum Treffpunkt denken wir über die möglichen Folgen der Besprechung und über die beste Strategie nach.

Wenn wir beten, nehmen wir an einer Konferenz mit dem höchsten aller Manager teil. Aber weil wir G–tt nicht sehen, ist es viel schwieriger, in die richtige Stimmung zu gelangen, so dass wir uns auf die Begegnung mit ihm vorbereiten können. Darum brauchen wir „Rituale“, die uns auf die wichtigste aller Begegnungen einstimmen.

Gewiss, unsere Gebete sollen nicht zur Gewohnheit werden, nicht zu einem bedeutungslosen Geleier. Aber wenn wir die richtige Einstellung haben, fördern Rituale unsere Konzentration. Wir waschen uns vor dem Beten die Hände, wir geben Almosen, wir versprechen, zu anderen Juden freundlich, liebevoll und respektvoll zu sein, und wir beten am gleichen Platz. Diese Gebetsrituale sind keineswegs banal. Sie bewirken, dass wir uns besser mit G–tt verbinden können.

Nehmen wir die bevorstehenden Hohen Feiertage als Beispiel. Die jährlichen Rituale helfen uns, in die richtige „Stimmung“ zu kommen, und uns spirituell vorzubereiten.

Einen ganzen Monat vor Rosch Haschana beginnen wir, anderen mündlich oder schriftlich zu wünschen, dass sie für ein gutes Jahre eingeschrieben sein mögen. Ein schlichtes Ritual wie dieses erinnert uns (und die Menschen, denen unsere Wünsche gelten) daran, was wir tun (und unterlassen!) müssen, damit das Jahr wirklich gut wird.

Im Monat vor den Hohen Feiertagen blasen wir täglich den Schofar. Allerdings – wenn wir einen Monat vor Rosch Haschana noch nicht wissen, wie man den Schofar bläst, nützt Üben auch nicht mehr viel. Und selbst wenn es etwas nützt, warum ein ganzer Monat und nicht ein paar Tage vor dem Fest?

Das Blasen des Schofars ist eines der Rituale vor Rosch Haschana. Unsere Propheten sagen, dass niemand den Schofar hören kann, ohne davon berührt zu werden und nach innen zu schauen.

Je mehr wir uns Rosch Haschana nähern, desto intensiver werden die Rituale. Wir sprechen zum Beispiel vom kommenden Samstagabend an die besonderen Bußgebete (Selichot). Selbst die bekannteren und scheinbar weniger wichtigen Rituale wie das Tunken von Äpfeln in Honig, der Verzehr von Honigkuchen und das Versenden und Empfangen von Neujahrskarten erzeugen eine Atmosphäre, die nicht nur schöne Erinnerungen weckt, sondern auch die Konzentration auf die Bedeutung und Einzigartigkeit dieser Jahreszeit vertieft.

Wenn wir mit „all diesen „Ritualen“ beginnen, sollten wir daran denken, dass jedes von ihnen seine eigene spirituelle Bedeutung hat und dazu beiträgt, dass wir in die richtige Feiertagsstimmung kommen.