Vor vielen Jahren lebte in Israel ein Mann namens Reb Nisim mit seiner Familie in einem kleinen Steinhaus, das allen anderen Häusern im Dorf glich - abgesehen davon, dass neben dem Haus ein wunderschöner Baum wuchs, der köstliche, saftige Granatäpfel trug.
Leute kamen von nah und fern angereist, um diese besonderen „Nisim-Früchte“ zu kaufen. Die Nachfrage war so groß, dass die Familie das ganze Jahr vom Verkauf ihrer Granatäpfel leben konnte.
Jeden Sommer war der Baum voll mit herrlichen roten Früchten. Doch eines Sommers war kein einziger Granatapfel zu sehen. Reb Nisim sagte zu seinem ältesten Sohn: „Klettere auf den Baum – vielleicht sind oben ein paar Früchte, die wir von hier aus nicht sehen.“
Der Junge stieg hinauf und entdeckte in der Tat drei kostbare Früchte, die schönsten, die er je gesehen hatte. Als der Schabbat kam, legte Reb Nisim zwei dieser Früchte als besonderen Leckerbissen auf den Tisch. Die Dritte legte er für den Feiertag Tu BiSchwat zurück, das Neujahr der Bäume. Für die Familie war es ein schwieriges Jahr, da sie sich immer auf den Baum als Lebensgrundlage verlassen hatte.
Eines Tages schlug Reb Nisims Frau vor, er solle ins Ausland reisen und etwas Geld verdienen. Das gefiel ihm nicht, denn er war sein Leben lang von der Heiligkeit Israels umgeben gewesen und wollte das Land nicht beleidigen, indem er eingestand, dort kein Auskommen zu haben. Aber jeder Versuch, in Israel Geld zu verdienen, scheiterte, und er hatte keine andere Wahl, als den Rat seiner Frau zu befolgen.
„Na schön“, sagte er, „ich gehe, aber ich werde niemandem sagen, dass ich aus dem Heiligen Land komme.“
Monatelang reiste er von Stadt zu Stadt; doch alle mussten für ihre eigenen Armen sorgen, und er hatte kein Glück. Da es eine große Mizwa ist, Arme aus Israel zu unterstützen, hätte er bestimmt etwas bekommen, wenn er sich als Israeli zu erkennen gegeben hätte. Aber das wollte er nicht.
An Tu BiSchwat kam er in Koschta in der Türkei an. Als er in die Synagoge ging, erschrak er. Alle Juden der Stadt waren dort versammelt und weinten, klagten und sprachen Psalmen.
„Was ist passiert?“, fragte Reb Nisim.
Der Küster erklärte: „Der Sohn des Sultans ist sehr krank. Er weiß, dass Juden gute Ärzte haben, und er hat befohlen, dass alle Juden aus seinem Land vertrieben werden, wenn wir ihm keinen Arzt schicken, der seinen Sohn heilt.“
Als Reb Nisim über diese schlimme Nachricht nachdachte, bat ihn der Diener des Rabbiners, ihn zu seinem Herrn zu begleiten.
„Unser Rabbi würde sich freuen“, sagte er, „einen Gast aus dem Heiligen Land zu haben.“ Erstaunt ging Reb Nisim mit. Woher wusste der Rabbi über ihn Bescheid? Er hatte niemandem gesagt, woher er kam. Also fragte er den Rabbi selbst.
„Von dir geht ein besonderer Duft aus“, antwortete der Rabbiner. „Ich spüre, es ist die Heiligkeit des Landes, die an dir haftet.“
„Was Ihr riecht, muss der Duft des Granatapfels sein, den ich bei mir trage“, meinte Reb Nisim. „Ich habe ihn für Tu BiSchwat aufbewahrt, und weil dieser Tag heute ist, mögt Ihr ihn mit mir essen.“
Der Rabbiner freute sich sehr. „Bitte, sag mir deinen Namen.“
„Ich heiße Reb Nisim.“ Als der Rabbiner das hörte, lächelte er. „Das ist gewiss ein Zeichen der g-ttlichen Vorsehung. Zu Ehren von Tu BiSchwat habe ich die Früchte studiert, die in den heiligen Büchern genannt werden. Das Akronym des Wortes Rimonim (Granatapfel) ist ‚refua melech u’bno nisim jawija meheira‛. Das bedeutet: ‚Nisim wird den Sohn des Königs schnell heilen‛. Komm, wir bringen dem Prinzen sofort ein wenig Granatapfelsaft. Vielleicht hilft uns G-tt, weil die Frucht aus dem Heiligen Land kommt.“
Man führte die beiden Männer ins Zimmer des Kranken, der dem Tod nahe war. Sie flößten dem bewusstlosen Jungen ein paar Tropfen Saft ein. Plötzlich wurden die Wangen des Prinzen rosa. Sie gaben ihm noch einige Tropfen, und seine Augenlider begannen zu zucken. Der Sultan ergriff die Hand seines geliebten Kindes und hatte Freudentränen in den Augen.
„Ich werde nie vergessen, was ihr für meinen Sohn getan habt“, sagte er zu den beiden Juden. Am nächsten Tag wurden Reb Nisim und der Rabbiner in den Palast gerufen. Der Prinz saß aufrecht im Bett, mit einem fröhlichen Lächeln im müden Gesicht. Die Diener des Sultans brachten samtene Beutel voller Goldmünzen und Juwelen herbei.
„Reb Nisim“, sagte der Sultan, „das ist nur ein kleines Zeichen meiner Dankbarkeit dafür, dass du meinen Sohn gerettet hast. Alle Juden in meinem Land mögen bleiben und in Frieden leben!“
Reb Nisim kehrte als reicher Mann nach Hause zurück. Im nächsten Sommer trug der Baum wieder so viele Früchte wie früher, und sein Ruhm verbreitete sich, denn die Geschichte vom Prinzen wurde in allen Dörfern und Städten des Heiligen Landes erzählt.
ב"ה
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