Der Monat Adar hat soeben angefangen. Solange das Bet Hamikdasch (der heilige Tempel) bestand, wurden jedes Mal zu dieser Jahreszeit Bekanntmachen erlassen, die sich auf die Steuer des Halben Schekel bezogen (Schekalim, Mischna 1), der von jedem erwachsenen männlichen Juden erhoben wurde. Diese Steuer ging auf den Befehl G-ttes an Moses zurück (Exodus 30, 12-13), in dem Er ihn anwies, dafür zu sorgen, das jeder Israelite die Silbermünze eines Halben Schekel für das Heiligtum in der Wüste gab (Raschi zu Exodus 30, 16), als "Sühne für ihre Seele".
Moses verstand G-ttes Anordnung zuerst nicht. Er, fragte sich (s. Tossafot zu Chullin 42a, unter der Überschrift "Dies ist das Tier ..."): Wie kann jemand sich "loskaufen" und für seine Sünden büssen, indem er einfach einen Halben Schekel gibt (Bamidbar Rabba 12, 3)? Dabei hatte Moses vorher schon die verschiedensten Gebote über das Darbringen von Opfern erhalten, die jeweils als Sühne für Sünden zu verstehen waren, und nie zuvor hatte er eingewendet, wie denn jemand für seine Sünden durch eine persönliche Gabe Sühne tun könne. Nun plötzlich wunderte er sich über diese Anordnung des Halben Schekel. Aus welchem Grunde?
Die Erklärung ist diese: Die Zahlung des Halben Schekel durch die Juden sollte spezifisch für ihre Anbetung des Goldenen Kalbes Busse tun (j. Schekalim 2, 3; Tanchuma zu Exodus a.a.O.). Mizwot – Gebote – werden mit Organen des menschlichen Körpers verglichen (s. Tikkunei Sohar, Tikkun 30; Tanja, Kap. 23). Manche Organe haben eine "spezifische" Aufgabe zu erfüllen, während die Funktion anderer Organe allgemeiner Natur ist – wie z.B. Gehirn und Herz, die die Quellen der Lebenskraft des ganzen Körpers darstellen. Ähnlich steht es mit den Mizwot; manche von ihnen sind in ihrer Funktion genau umschrieben, während andere – beispielsweise das Verbot des Götzenkultes: "Du sollst keine anderen Götter neben Mir haben" – so lebenswichtig sind, dass sie nichts weniger als die Einheit zwischen G-tt und Seinem Volke angeben. Das war es, was den was den Moses verwunderte. Wie konnte der Halb-Schekel irgendwie, und auch nur annähernd, Busse tun für eine so schwerwiegende Sünde wie Götzenkult? Wie konnte ein Jude, einfach durch die Zahlung dieser Silbermünze, seine Seele "auslösen", das innerste Wesen seines Jude-Seins, das er durch die Anbetung des Goldenen Kalbes so sehr gefährdet hatte?
In Beantwortung von Moses’ Frage zeigte G-tt ihm das Bild eines aus Feuer bestehenden, Halb-Schekel (j. Schekalim 1, 4; Bamidbar Rabba a.a.O., zitiert von Raschi zu Exodus 30, 13; s. auch Tossafot a.a.O.) und unterwies ihn dabei: "Eine Münze wie diese sollen sie geben." Diese Antwort kann durch folgende Parabel erläutert werden:
Ein einfacher Mann vom Lande war Lehrling bei einem Goldschmiedmeister, von dem er die Kunst erlernte, wie man geschmiedetes Gold schmiegsam machen und zu allerlei Formen bilden kann. Nach einigen Jahren richtete er seine eigene Schmiede ein, aber wie sehr er sich auch anstrengte, er brachte es nicht fertig, das Gold nach seinem Willen zu winden und schmiegsam zu machen; es blieb stets im Zustande eines unförmigen Goldklumpens: Weil die Idee seinem Lehrmeister so überaus selbstverständlich erschien, hatte dieser es einfach unterlassen, den Lehrling darauf hinzuweisen, dass man auch ein Feuer unter dem Gold anzünden muss!
Das denn war die Bedeutung der Antwort G-ttes an Moses, als Er ihm sagte, die Juden sollten "eine Münze wie diese" (d.h.: aus Feuer) geben: Die bloße Abgabe einer Münze kann gewiss nicht für eine Sünde wie Götzenkult Sühne tun. Aber wenn diese Abgabe mit der Wärme und Begeisterung erfolgt, die aus dem feurigen Kern – dem "Brennpunkt" – der jüdischen Seele springt, dann tritt der Halbe Schekel in der Tat an die Stelle einer Auslösung und wird zu eher Busse – selbst für Sünden, die das innerste Wesen der Menschenseele gefährden.
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