Die dieswöchentliche Sidra berichtet über die Offenbarung der Tora am Berge Sinai. G-tt gab Seinen Willen in der Anwesenheit von Millionen von Zeugen kund, Menschen mit den verschiedensten Ansichten oder Charaktereigenschaften und aus den unterschiedlichsten Volksschichten. Ihrerseits überlieferten diese die Tora von Generation zu Generation, ohne Unterbrechung, bis zum heutigen Tage. Auf diese Weise findet die Tora bei Millionen von Zeugen immerfort ihre Bestätigung.
Als die Juden am Fuße des Berges standen, in ihrer Gesamtheit auf den Empfang der Tora vorbereitet, da riefen sie aus, dass sie erst alle ihre Vorschriften ausführen und danach auch versuchen würden, sie zu verstehen (Exodus 19, 8; s. auch Exodus 24, 7 und Talmud, Schabbat 88a). Es ist angebracht, über die tiefere Logik nachzudenken, die einer solchen Haltung zur Erfüllung der Mizwot innewohnt.
Der Körper des Menschen ist nicht völlig von seiner Seele isoliert, und man kann viele Dinge über die Seele zu ergründen lernen, wenn man gewisse Parallelen im Körper betrachtet. Rein physisch benötigt der Körper die tägliche Zufuhr einer Mindestmenge gewisser Elemente, und diese nimmt er durch Atmen und Essen zu sich. Wie sehr man auch immer über diese Elemente nachdenken, von ihnen sprechen und sie studieren mag: diese Art von Tätigkeit ist kein Ersatz für die tatsächliche Versorgung mit Luft und Speise. Alle Wissenschaft kann die Gesundheit des Körpers auch nicht um ein Tüttelchen fördern, wenn ihm nicht der physische Lebensunterhalt gewährt wird; im Gegenteil, jeder Mangel an der Zufuhr der notwendigen Elemente wirkt sich negativ aus, nämlich dahingehend, dass die geistigen Kräfte – wie Denkprozesse, Konzentrationsfähigkeiten etc. – geschwächt werden. So muss es denn einleuchten, dass die richtige Methode zur Erhaltung der körperlichen Gesundheit nicht darin besteht, dass man zuerst studiert und danach ausführt; das Umgekehrte ist richtig: man muss erst essen, trinken und atmen, wodurch sodann die geistigen Fähigkeiten gekräftigt werden.
Ein Gleiches geht auch für die Seele an. Die Elemente, die sie für ihr Gedeihen benötigt, sind dem Schöpfer bekannt; am Berge Sinai gab Er sie uns kund, und Er verkündete uns, dass die für unser spirituelles Dasein notwendige "Luft" und "Speisen" ... Tora und Mizwot sind.
Man erzählt von einem berühmten deutschen Philosophen, dem Begründer eines umfassenden philosophischen Systems, er habe einmal, als ihm dargetan wurde, dass seine Theorien mit den harten Tatsachen der Realität unvereinbar seien, geantwortet: "Umso schlimmer für die Tatsachen." Es ist aber jedermanns normale Auffassung, dass Ansichten und Theorien von der Realität abzuleiten sind, und nicht, dass die Realität erst von Lehrmeinungen abhängt. Keine Theorie, wie gescheit sie auch erdacht sein mag, kann Tatsachen ändern; wenn sie mit den Fakten nicht übereinstimmt, dann muss sie auf die Dauer für ihre Anhänger unfruchtbar und schädlich sein.
Die ganze Welt ist ein harmonisch koordiniertes System, von G-tt geschaffen; nichts darin ist überflüssig, und es fehlt darin auch nichts. Die Lebensspanne des Menschen auf dieser Erde ist gerade lang genug, dass er hier seine Aufgabe erfüllen kann; sie ist nicht einen Tag zu kurz noch einen Tag zu lang. Sollte er daher zulassen, dass ein einziger Tag oder eine Woche – von Monaten schon gar nicht zu reden – vergebt, ohne dass er seine Aufgabe nachkommt, so bedeutet ein solches Unterlassen einen nicht wieder gutzumachenden Verlust für sich selbst und auch für das ganze System des Universums. Jeder Tag, den ein Jude vorbeigehen lässt, ohne in der Praxis der Tora gemäß zu leben, ist ein nicht wieder gut zumachender Verlust für ihn selbst und für unser ganzes Volk (da wir doch eine Einheit bilden und gegenseitig für einander verantwortlich sind), sowie auch für die universale Ordnung im Weltall; und alle Theorien, die versuchen möchten, eine derartige Lebendweise zu rechtfertigen, können an dieser grundlegenden Tatsachen nicht im geringsten rütteln.
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