Die dieswöchentliche Sidra führt einen Teil der Plagen auf, mit denen die Ägypter bestraft wurden, womit dann der Auszug der Israeliten aus Ägypten schnell herbeigeführt wurde.

Einer der wesentlichsten Aspekte dieses Auszuges ist die Hast und Eile, mit der er sich vollzog. Als die Stunde der Befreiung schlug, verließen die Juden das Land sofort; sie ließen auch nicht einen einzigen Augenblick vergehen, oder – wie unsere Weisen es ausdrücken (Mechilta zu Exodus 12, 41-42, zitiert in Raschis Kommentar ibid.) – sie machten sich auf, "ohne mit der Wimper zu zucken". Unsere Weisen fügen hinzu (Kommentare im Namen des Sohar – Sajit Ra’anan, zitiert in Or Hatora, S. 327), dass die günstige Gelegenheit für ihre Befreiung für immer verloren worden wäre, wenn die Juden gezögert und den richtigen Augenblick verpasst hätten (vgl. die Haggada für Pessach: "Wir, unsere Kinder und Kindeskinder wären dem Pharao versklavt geblieben ..."). Diese Feststellung erscheint beinahe unverständlich; denn die Zehn Plagen, die die Ägypter zu einer tatsächlichen Vertreibung der Juden veranlassten, hatten sich doch ereignet. Weshalb war dann Eile in diesem Augenblick so dringend geboten?

Die Erklärung dafür ist folgende: Die Gefahr, dass die Gelegenheit verpasst würde (siehe Tanja, Kap. 31), lag nicht darin, dass die Ägypter sich vielleicht eines anderen bedenken könnten, sondern darin, dass manche Juden selbst sich die Sache möglicherweise wieder anders überlegt hätten, besorgt darüber, dass sie ihre gewohnte Lebensweise ändern und für eine neue Kultur und Gesellschaftsordnung in der Wüste austauschen mussten.

Die Juden sind angehalten, an jedem einzelnen Tage ihres Lebens den Auszug aus Ägypten erneut zu durchleben (Deut. 16, 3; siehe Or Hatora, S, 265). Eines jeden Juden persönlicher "Auszug aus Ägypten" stellt seine eigene Erlösung von der Dienstbarkeit unter die Diktate seines Körpers und seine sinnlichen Neigungen dar. Die oben erwähnte Episode lehrt uns daher, dass wir nicht zögern dürfen, wenn immer sich die Gelegenheit bietet, diesen "Exodus" zu vollziehen, d.h. spirituell auf eine höhere Ebene anzusteigen.

Vielmehr sollten wir jede derartige Möglichkeit wahrnehmen und uns bemühen, jede Phase unseres täglichen Lebens mit dem Geist und der Beobachtung von Tora und Mizwot zu erfüllen – nicht aber diese Gelegenheit nur für die "feierlichen Tage" des Jahres, Rosch Haschana und Jom Kippur, aufzuheben.

Das gleiche gilt auch für das Gemeindewesen; hier klopft zur Zeit eine außergewöhnlich günstige Gelegenheit an unsere Türe, nämlich die Tatsache, dass in unserer bisher entfremdeten Jugend ein Interesse an der Religion wieder in Erscheinung tritt. Durch triftige Fragestellung und in kühner Herausforderung drückt unsere jüngere Generation ihr Verlangen aus, dass ihr die volle Wahrheit über jüdische Dinge aufgezeigt werde – nicht eine verwässerte oder "verzuckerte" Wahrheit oder eine "angenehme" Religion. Die Erfahrung hat bewiesen, dass dort, wo die jüdische Jugend mit dem authentischen Judentum von Tora und Mizwot vertraut gemacht wird, sie sich davon angezogen fühlt, so dass sich viele von ihnen angeschickt haben, ihr tägliches Leben demgemäß zu orientieren, mit der Entschlossenheit und dem Enthusiasmus, die ein so markantes Attribut der Jugend sind.

Wir hoffen deshalb, dass jeder Jude und jede Jüdin die außerordentlich günstige Gelegenheit des gegenwärtigen Zeitpunktes wahrnimmt, um ihre Selbstbefreiung zu erlangen und auch anderen zu dem gleichen Ziele zu verhelfen: die Befreiung aus jeder Art von Knechtschaft, innerlicher wie äußerlicher, und insbesondere aus jener betrüblichsten aller Versklavungen (siehe Kuntress Umajan, Ende von Kap. 11), nämlich dem verderblichen Losungsworte: "Lasst es uns den anderen gleichtun".