In den Stab, den Moses benutzte, um damit – wie in der dieswöchigen Sidra geschildert wird – die Plagen über Ägypten auszulösen, waren die Namen der Stammmütter unseres Volkes geschnitzt, sowie die zwölf Stämme, die zehn Plagen – und dazu denn der Große Name G-ttes. Die edlen und erhabenen Ideen und Ideale, wie sie sich in den Stammmüttern und den Stämmen Israels manifestieren, sind "würdige Begleiter" für G-ttes Namen auf Moses' Stab. Demgegenüber scheinen die niedrigen Anliegen, Frösche, Läuse und Geschwüre über die Ägypter zu bringen, unpassend und nicht am Platze dort, wo G-ttes unaussprechbarer Name zu finden ist. Diese Überlegung verliert jedoch sofort ihre Gültigkeit, wenn wir uns das Prinzip von "Haschgacha Pratit" vor Augen halten, dass ist: G-ttes spezifische Vorsehung und Obhut über jedes einzelne Ding in der Welt.
Damit ist dieses ausgedrückt: G-tt ist nicht besonders interessiert an den bloßen erhabenen "Hauptsächlichkeiten". Er kümmert sich nicht nur um die Welt als Ganzes, oder um eine Gattung in ihrer Gesamtheit und Vollständigkeit, sondern Er sorgt sich genauso um "niedrige Alltäglichkeiten" (wie zum Beispiel die Bestrafung der Ägypter), Er befasst sich mit den geringfügigsten Einzelheiten.
Es gibt eine ganze Reihe von Leuten, die ihren Lebenszweck darin sehen, revolutionäre Neuerungen in der Welt einzuführen, die ganze Gesellschaftsordnung "umzumodeln". Sie halten es für unter ihrer Würde, ihre vorzüglichen Fähigkeiten an der Verbesserung von "kleinen Sachen" zu vergeuden.
Im besonderen zeigt sich dies auch bei manchen rabbinischen Führern unseres Volkes, denjenigen nämlich, die da stets verlautbaren lassen, ihre Aufmerksamkeit sei ausschließlich auf Dinge von hoher Bedeutung und großer Erheblichkeit gerichtet. Beim Studium der Tora zum Beispiel ergehen sie sich sehr häufig nur in den tiefgründigsten und daher schwerverständlichen Diskussionen. Im Bereiche von "Awoda" (G-ttesdienst) stellen sie Untersuchungen mystischer Axiome der Philosophie an, um darin die gesamte Tora einzuhüllen. Wo es sich um Gemeindeangelegenheiten handelt, um Belange, die die Allgemeinheit betreffen, suchen sie zu beweisen, dass das Wohl und Wehe der ganzen Menschheit davon abhängt, wie theoretische Prinzipien von Gerechtigkeit zur Anwendung kommen. In ihren Predigten, zudem, äußern sie sich gern und schnell zu weltlichen Angelegenheiten, zu Fragen der Politik; und da befürworten sie eine universelle Demokratie. Sie kommentieren auch die atomare Aufrüstung, sie verlangen Gipfeltreffen der leitenden Staatsmänner der Welt.
Wie steht es da um so "einfache" Dinge wie die Schabbat-Gesetze, die Beobachtung von Kaschrut, die Gesetze von Familienreinheit – oder wie und wann, im einzelnen, die verschiedenen Brachot (Segenssprüche über Speisen und dgl.) zu sagen sind? So etwas, so vermeinen sie oft, ist doch "unter ihrer Würde". Derlei "niedrige" Aufgaben, dürften getrost dem Schamasch überlassen werden, oder dem Gabbai, oder bestenfalls dem "Unterrabbiner", ist es doch die Pflicht eines wirklich "bedeutenden" Rabbiners, sich ausschließlich mit weltumspannenden Themen zu befassen, und dabei immer neue, mehr und mehr aufsehenerregende Ankündigungen zu machen, so dass ihre Namen auch ihren gebührenden Platz in den Zeitungsüberschriften finden.
Diese geistigen Führer täten gut daran, sich ein Beispiel an ihrem Schöpfer zu nehmen. Wenn daher – wie wir festgestellt haben – der Ewige sich um sogar die kleinste Sache im Weltall sorgt und darüber wacht, wenn sogar die Aufgabe, Läuse oder Hagel über die Ägypter zu bringen, nicht eine zu geringfügige ist, um damit G-ttes Heiligen Namen zu verbinden, dann sollten auch sie ihre Aufmerksamkeit sogar der "kleinsten Kleinigkeit" schenken. Es ist gerade in den "bescheidenen und einfachen" Anliegen, wie zum Beispiel denjenigen, die darin bestehen, dass die das tagtägliche Leben angehenden Tora-Gesetze gelehrt werden, dass G-ttes Allgegenwart ihren besten, eigentlichsten Ausdruck findet.
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