Zu den Segensworten "G-tt möge dir geben", die Isaak über seinen Sohn Jakob aussprach (Genesis 27, 28), bemerkt der Midrasch, dass Jakob zehn Segnungen erhielt, in Übereinstimmung mit den Zehn Aussprüchen, in denen die Welt geschaffen worden ist ("Sprüche der Väters" 5, 1).

Wo immer in unserer Lehre der Ausdruck "in Übereinstimmung mit" gebraucht wird, ist eine solche "Übereinstimmung" viel mehr als eine rein äußerliche Zahlengleichheit. Vielmehr müssen die verglichenen Themen oder Gegenstände, an sich, erst einmal in einer inneren Verbindung miteinander stehen, und dadurch ist es dann, dass auch ihre Zahlen oder Nummern einander entsprechen.

Unsere menschliche Verstandeskraft indessen geht in umgekehrter Reihenfolge vor, nämlich vom Späteren zum Früheren, von der Wirkung zurück zur Ursache, vom Einfachen zum Komplizierten. Uns leuchtet die Übereinstimmung der Gegenstände selber – also der Ursache oder der Voraussetzung – erst dann ein, wenn wir ihre Zahlengleichheit – die Wirkung oder die Folgerung – zur Kenntnis genommen haben. Das ist unser menschlicher Fortschritt vom Einfachen zum Komplizierten. Um aber die wirkliche und wesentliche Beziehung zwischen zwei Dingen zu begreifen, dazu gehört, dass man ihre Natur, ihr eigentliches Wesen versteht.

Eine Zahlengleichheit ist für jeden etwas Offensichtliches. Um diese zu sehen, dazu gehören keine großen oder schwierigen Überlegungen über die, Natur, das Wesen oder die Eigenschaften der betreffenden Gegenstände; man braucht nur einfach zu zählen. So ist also unser Vorgang wie beschrieben: Wir schreiten voran von der Basis der Zahlengleichheit, und dadurch erfassen wir dann, dass die Gegenstände als solche in Beziehung zu einander stehen.

Ein Beispiel: Dem Sohar zufolge entsprechen die 248 positiven Gebote der Tora den 248 Organen des menschlichen Körpers und die 365 Verbote den 365 Sehnen. Das besagt nun aber durchaus nicht, dass diese Beziehungen rein numerische sind, sondern vielmehr, dass die Dinge selbst in Beziehung zu einander stehen: Die 613 Gebote und Verbote sind die "Organe" der Seele, von der dann die Lebenskraft in die Organe des Körpers fließt.

In Bezug auf den Vers (Deut. 18, 13) "Ganz sollst du mit dem Ewigen, deinem G-tte sein" wird – genau in diesem Zusammenhang – erklärt, dass "Ganzheit" (Vollkommenheit) in den 613 Geboten und Verboten zu einer Ganzheit in den "Organen" der Seele führt, und dies führt seinerseits dann zu einer Ganzheit in den 613 Teilen des Körpers und verleiht diesen Stärke und Lebenskraft. Daraus folgt dann der Schluss: Nachdem jedes Organ von einer besonderen Mizwa abhängig ist, müssen diese Organe mit den Mizwot auch numerisch gleich sein.

Nach diesen Überlegungen lässt sich eine Sohar-Stelle verstehen, in der es heißt (Sohar 1, 143b): R. Eleasar wurde gefragt, warum die Segnungen, die Jakob erhielt, nicht erfüllt wurden, während diejenigen, die Esau gegeben wurden, in Erfüllung gegangen sind, tatsächlich alle von ihnen. R. Eleasar antwortete: "Jakob erhielt seinen Anteil oben, Esau dagegen erhielt seinen Anteil unten."

Es heißt in den Psalmen (Psalm 112, 9): "Seine Rechtschaffenheit (hebr. Zedaka) hat ewigen Bestand." Rechtschaffenheit und Güte, und damit die Mizwot ganz allgemein, wie sie in der Jetztzeit ausgeübt und in die Praxis umgesetzt werden, dauern auf ewig an. Die Segnungen an Jakob finden ihre Erfüllung in den Mizwot. Das von den Mizwot entfachte Licht ist (gleichsam) für den Augenblick noch verborgen und verhüllt; und so sind die Segnungen auch noch in einem Zustand von Verhüllung, jedenfalls für den Augenblick. In "jener Zukunft" jedoch wird Jakob seinen Lohn auch hier unten, in der materiellen Welt, entgegennehmen.

Das denn ist die thematische Verbindung, die zu der oben konstatierten Zahlengleichheit den inneren Anlass gibt.