Im Zusammenhang mit dem Vers in der dieswöchigen Sidra Chaje Sara (Genesis 24, 1): "Und Abraham war alt geworden ..." heißt es im Midrasch (Bereschit Rabba 60, 8): "Die Gespräche der Diener der Vorväter sind wichtiger als die Tora der Kinder". Wir können feststellen, dass viele wesentliche Gesetze des Judentums in der Tora mitunter nur durch einen einzigen zusätzlichen Buchstaben angedeutet sind. Die "Tora der Kinder" also befleißigt sich einer knappen und kurzen Ausdrucksform; oft genügt eine bloße Andeutung oder Anspielung. Das ist einer der wichtigen Unterschiede zwischen der schriftlichen und der mündlichen Lehre; die letztere ist ausführlich, während die erstere mit Worten spart.
Die Gespräche der Diener dagegen werden ganz ausführlich wiedergegeben, manchmal sogar zwei- oder dreimal wiederholt, wie sich zum Beispiel gerade in der heutigen Sidra bei Abrahams Diener Elieser zeigt. Erst nennt die Tora Abrahams Anweisungen an ihn, dann schildert sie, was sich tatsächlich ereignet hat, und danach wird der ganze Vorfall nochmals vorgetragen, weil nämlich Elieser selbst wiederholt, was Abraham ihm aufgetragen und was sich danach zugetragen hatte.
Dies dient daher als ein Beispiel für die Bemerkung des Midrasch, dass die Gespräche der Diener der Vorväter wichtiger sind als die Tora der Kinder; hinzu kommt hier jedoch, dass diese im Wiederholungen im Hinblick auf eine bevorstehende Eheschließung erfolgen. Daraus ist zu folgern, dass es nicht nur "die Gespräche der Diener" sind, denen ein großes Gewicht beigemessen wird, sondern dass dies in gleichem Masse für die Idee von Ehe und Ehestand gilt.
Die Erklärung ist diese: Wenn ein Jude sich anschickt, ein jüdisches Heim zu gründen, dann soll es einen Ewigkeitswert haben. Denn er baut das Heim auf gemäß den Grundsätzen der Tora, die von dem Einen gegeben worden ist, der ewigen Bestand hat. Dann trifft auf den Juden der Ausspruch der Tora zu (Deut. 4, 4): "Ihr, die ihr an G-tt festhaltet, ihr alle lebt heute", und das von ihm zu gründende Heim wird zu einem Heim für alle Ewigkeit.
Elieser gab Rebekka als Geschenk (Genesis 24, 22) "einen goldenen Ring, einen halben Schekel schwer, und zwei Armbänder, zehn Schekel an Gewicht". Unsere Weisen (Targum Jonathan z. St., und Bereschit Rabba 60, 6) sehen die Erklärung darin, dass mit diesen Gegenständen die Hochzeitsweihe (der Ehekontrakt zwischen Rebekka und Isaak) praktischen Ausdruck erhielt. Die erste dieser zwei Gaben versinnbildlicht den halben Schekel, den jeder Jude jährlich für das Heiligtum beizusteuern hatte, und die zweite versinnbildlicht die zwei Tafeln mit den Zehn Geboten. Die erste Gabe – als der halbe Schekel – weist hin auf die Mizwa von Wohltätigkeit, die nach dem Talmud (Baba Batra 9a) "allen anderen Mizwot (zusammengenommen) gleichwertig ist", und die zweite auf die "Tora in ihrer Gesamtheit"; denn es versteht sich von selbst, dass die Grundlage für ein wahrhaft jüdisches Heim die verbindliche Anerkennung von Tora und Mizwot ist.
Was nun die zwei steinernen Tafeln mit den Zehn Geboten betrifft, für die die zwei von Elieser geschenkten Armbänder das Symbol sind, so waren die Zehn Gebote darin eingraviert (nicht: darauf geschrieben!). Im Konkreten setzt sich die schriftliche Lehre als solche zusammen aus Wärtern, die mit Tinte auf Pergament geschrieben sind; das sind also, an sich, zwei separate Dinge, die zusammen dann die schriftliche Lehre zur Darstellung bringen. Ähnlich besteht auch die mündliche Lehre aus zwei verschiedenen Dingen, nämlich den Worten der Tora und der Person, welche diese Worte studiert.
Was dagegen die Zehn Gebote betrifft, so waren diese in die Tafeln eingraviert. Sie waren also nichts Separates, sondern sie bildeten einen wesentlichen Bestandteil der Tafeln selbst. Dieser Begriff von "eingravierten Buchstaben" besagt, dass nunmehr die Person und die Tora zu einer Einheit werden, wie der Talmud (Kidduschin 32b) es erklärt: Wenn jemand nach emsigen Studium dies verdient, dann wird die "Tora G-ttes" auch zu "seiner Tora", so dass die beiden sich untrennbar vereinen. Deswegen gab Elieser spezifisch die zwei Armbänder, Symbol der zwei Tafeln. Damit ist bekundet, dass ein jüdisches Heim die Tora nicht lediglich als "G-ttliches Joch" hinnehmen soll – was bedeuten würde, dass beide noch getrennt sind –, sondern dass beide sich zu einer vollständigen Einheit verschmelzen sollen.
Diskutieren Sie mit