Die Sidra Nizawim beginnt mit den Worten (Deut 29, 9): "Ihr alle zusammen steht an diesem Tage standhaft vor G-tt". Die Toravorlesung dieser Sidra findet immer kurz vor Rosch Haschana statt – wofür dieser Vers einen Hinweis mit dem Ausdruck "Hajom" ("an diesem Tage") gibt: denn "Hajom" deutet Rosch Haschana an. Und eben diese Worte "Ihr alle zusammen steht an diesem Tage standhaft vor G-tt" enthalten eine wichtige, sehr aktuelle Lehre: Die Juden müssen fest und unerschütterlich stehen, obgleich sie "die kleinste aller Nationen" sind.

Dies kann nur wirkungsvoll sein, wenn sie geeint und mit einander verbunden sind: "Ihr alle zusammen".

Wie nun ist es im Leben möglich, eine wahre und daherhafte Vereinigung zu bewerkstelligen, wo doch jede Gemeinschaft aus so vielen verschiedenen Einzelpersonen besteht, die alle unterschiedliche Ideen, verschiedenartige Interessen und ungleiche Bestrebungen vertreten?

Die Antwort hierauf ist ebenfalls in unserem Verse zu finden, nämlich in den Worten "vor G-tt". Jüdische Einheit und Einigkeit ist deshalb erzielbar, weil die Juden in Wirklichkeit schon a priori geeint sind, weil ihnen von vorn herein die G-ttliche Seele innewohnt, die fürwahr ein Teil G-ttes ist; ein jeder Jude, ohne Ausnahme, nennt sie sein eigen. Und die bedeutsame Überlegung, dass man "vor G-tt" steht – der da deine Stärke und dein Leben ist –, sie ist es, die die Einigkeit zwischen dem einen Juden und dem anderen und die Vereinigung der Einzelperson mit der Gemeinschaft in vollstem Grade ermöglicht und in die Tat umsetzt.

Worin jedoch liegen Aufgabe und Endziel dieser Vereinigung? Auch das ist in der Sidra dargelegt, und zwar zwei Verse weiter (Deut. 29, 11 und 12,): "Damit du in einen Bund mit G-tt eintrittst, in Erfüllung Seines Schwures, einen Bund, den G-tt mit dir heute schließt (erneuert)". Und weiter: "Damit Er dich an diesem Tage für Sich zum Volke erheben kann." Das heißt doch, dass dieses Volk G-tt zueigen ist, ein Volk, welches sein tägliches Leben – bis in die allerletzte Kleinigkeit – so weiht, dass es sich nach G-ttes Tora und all Seinen Geboten richtet.

Unsere Tora – "Torat Chajim" ("das Gesetz des Lebens") – ist in jeder Hinsicht Lehrmeister und Anleiter des Juden. Es ist von ganz besonderer Wichtigkeit, ihre Anleitung jetzt zu suchen, da wir uns für ein Neues Jahr vorbereiten – ein Jahr, für das wir uns ein erneutes, besseres Leben erflehen. Möge G-tt geben, dass jeder Jude und jede Jüdin sich so auf dieses Neue Jahr vorbereiten, wie es die dieswöchentliche Sidra, in den oben zitierten Worten, zum Ausdruck bringt. Möge das Neue Jahr für alle Juden ein gutes und "süßes" Jahr sein, gut materiellem wie auf ideellem Gebiete.