In unserer Parascha beschreibt Mosche die Wüste, durch welche das jüdische Volk während vierzig Jahren wanderte als: „Die große und fürchterliche Wüste, (in ihr befanden sich) Schlangen und Schlangen mit brennendem Gift, Skorpione und (du hattest) Durst und (es gab) kein Wasser.“

Unsere Weisen haben den Satz: “Maase Awot Siman Lebanim (was mit den Vorvätern geschehen ist, ist ein Zeichen und Omen für die Kinder)“ geprägt. Nur so lässt es sich erklären, dass wir auch heute, dreitausend Jahre später, uns mit den Einzelheiten der jüdischen Geschichte (und dies jedes Jahr von neuem) beschäftigen. Denn die Geschichten der Tora müssen nicht nur als geschehene Tatsachen, von welchen viel gelernt werden kann (denn Geschichte, die nicht als Lehre dient, muss sich ja bekanntlich wiederholen) angesehen werden, sondern sollten auch als symbolische Ideen, welche sich zu jeder Zeit und in jedem Ort in Bezug auf aktuellen Themen deuten lassen, verstanden werden.

Die große Wüstenwanderung war in einem gewissen Sinn eine Voretappe zur Eroberung von Erez Jisrael und kann mit unserer Zeit verglichen werden, da auch wir ja ganz nahe vor der Geula Schlema (der vollständigen Erlösung durch Maschiach) stehen.

Das jüdische Volk bildete schon seit jeher eine Minderheit, doch nie ist ihm diese Tatsache so sehr vor Augen geführt worden, als in unserer Zeit, in welcher alle Ghetto-Wände und Barrieren zur Außenwelt gefallen sind. Die große Welt und ihre Milliarden von Bewohnern sind den Idealen des Judentums nicht immer sehr empfänglich und in diesem Sinn bildet die Welt für den Traditionsverbundenen Juden eine große Wüste, in welcher es sich nicht gering jüdisch leben lässt (genau wie es für Menschen schwierig ist, in einer großen Wüste zu leben).

Dabei ist die Betonung auf dem Wort groß, denn eigentlich sollte der Mensch seinen Weg gehen können, ohne sich viel um den Rest der Welt kümmern zu müssen oder sich gar von Minderwertigkeitsgefühlen plagen zu lassen. Das Gefühl, er sei in einer großen Wüste (er vergleicht sich und sein Volk mit Anderen und kommt zum Schluss, er sei klein und die Welt groß), führt schon zum nächsten Schritt: Es wird für ihn eine fürchterliche Wüste, wo sich der Mensch vor seiner Umwelt fürchtet und sich schämt, sein Judentum offen zu leben.

Um seiner Furcht zu entrinnen, beginnt er, sich seiner Umgebung anzupassen und das Gift der Schlange, (welches den Körper erhitzt) erhitzt und begeistert ihn für alle materiellen, weltlichen Dinge. Diese Hitze und Hingabe zum Weltlichen wiederum verbrennt bei ihm jedes Gefühl für Heiligkeit und Spiritualität (Die Schlange mit dem brennenden Gift). Doch auch dem ist nicht genug: Der Skorpion (dessen Gift den menschlichen Körper mit kalten Schauern durchzieht) kühlt in ganz vom Judentum ab.

Dann kommt der Durst (die Seele spürt, dass etwas mit dem Leben nicht in Ordnung ist und durstet nach geistigen Inhalten) doch es gibt kein Wasser. Der Durst wird vom Menschen misinterpretiert und anstatt zur Tora (welche mit Wasser verglichen wird) zurückzukehren, versucht er, sich abzulenken.

Diese Gefahren lauern dem Juden ständig in einer ihm fremden Umgebung und der Beginn des Falls ist das Gefühl, die Welt um ihn herum sei viel größer und wichtiger als er und seine Religion.

Das Wahrnehmen und das Bewusstsein dieser Gefahr, bilden schon den ersten Schritt in Richtung Geula (Erlösung) und Erez Jisrael (das Land Israel).