Angesichts der soeben begonnenen "Drei Wochen", der Periode der Trauer um die Zerstörung unseres Bet Hamikdasch (des Heiligtums in Jerusalem), müssen wir gut in Erinnerung behalten, worin denn die eigentliche Ursache für die Zerstörung lag. Diese war in erster Linie in dem grundlosen Hass und überhaupt der Zerspaltung unseres Volkes zu suchen. Dabei allerdings genügt es nicht, dass man sich dessen bloß bewusst ist und darüber trauert; wir müssen uns vielmehr bemühen, ein Klima zu schaffen, welches für die Wiedererrichtung des Bet Hamikdasch günstig ist. Wir müssen einer dem anderen grundlose Liebe erweisen, um so ein Gegengewicht gegen den unberechtigten Hass zu haben, der ursprünglich zu jener Vernichtung führte.

Rabbi Levi Jizchak von Berditchev übernahm von seinem Meister, dem Baal Schem Tov, die folgende Belehrung zum Thema von Ahawat Jisrael (Liebe zu jedem anderen): "In der Mischna ("Sprüche der Väter" 2, 2) heißt es: 'Jedes Tora-Studium, das nicht auch von Arbeit begleitet ist, wird schließlich zu nichts zerrinnen.' Hier bedeutet das Wort 'Arbeit' den ständigen aktiven Einsatz zur Ausübung von Ahawat Jisrael. Damit die Tora Bestand hat, muss sie vom Einsatz für Ahawat Jisrael begleitet sein."

Diese Anweisung beeindruckte Rabbi Levi Jizchak so tief, dass er fortan sein ganzes Leben der Aufgabe widmete, anderen zu helfen; und sein Name ist fast sprichwörtlich für praktische Ahawat Jisrael geworden.

Was bedeutet, praktisch gesehen, jede Bemühung mit dem Ziele, Ahawat Jisrael zu schaffen?

Wie es der frühere Lubawitscher Rebbe, Rabbi Josef Jizchak Schneersohn sel. A., erklärt hat: Man muss Ahawat Jisrael wie ein Geschäftsunternehmen aufziehen. Kein Geschäftsmann würde einfach mit seiner Ware zu Hause herumsitzen und darauf warten, dass vielleicht ein Kunde herausfinden würde, was er zu verkaufen hat, dass ein interessierter Käufer aus eigener Initiative sich nach der besonderen Qualität seiner Ware erkundigen würde, um ihn dann schließlich aufzusuchen und einen Einkauf zu tätigen. Nein, das wäre durchaus nicht die richtige Methode für einen Kaufmann.

Wenn er wirklich geschäftstüchtig ist, dann eröffnete er einen Laden an guter Verkehrslage, dort, wo die Menschen dauernd vorbeigehen. Er bringt Firmenschilder und Plakate an, in denen er jedermann darauf aufmerksam macht, was er zu verkaufen hat. Und auch dabei belässt er es noch nicht, sondern er empfiehlt seine Ware in Inseraten. Er versucht alles, um den Einkäufer zum Kaufe zu überreden, und außerdem ersucht er jeden zufriedengestellten Kunden, sein Geschäft an andere auch weiter zu empfehlen.

Ahawat Jisrael ist unser Geschäft und Gewerbe. Wir müssen uns die größtmögliche Mühe geben, um den Nebenmenschen zu helfen. Ein wichtiger Teil dieser Mizwa besteht allein schon darin, dass wir dem anderen in materieller Hinsicht zu Hilfe kommen oder ihm, ganz gewöhnlich, einen Gefallen tun – zuerst einmal überhaupt nicht mit der Absicht; ihn näher an das Judentum heranzubringen. Weiterhin jedoch müssen wir, wo immer dies möglich ist, dem anderen Juden die große Kostbarkeit von Tora und Mizwot vor Augen führen, mit der Absicht, dass wir so den "zufriedengestellten Kunden" seinerseits zu einem "Verkäufer" machen, so dass wir am Ende erleben, wie diejenigen, die wir der Tora näher gebracht haben, ihrerseits bemüht sind, andere zu belehren.