Unsere Parascha handelt von einem Menschen, der in eine schwierige finanzielle Lage gekommen ist. Zuerst handelt sie vom Fall, wo er bloss seinen Boden oder seinen Besitztum verkaufen muss, doch dann spricht die Tora auch vom Fall, wo er sich in seiner Notlage selbst als Sklave verkauft. Auch hier gibt es Stufen: Ob er sich an einen Juden oder an einen Nichtjuden verkauft (das ist eigentlich unerwünscht, denn er könnte von seinem Verhalten, das ja nicht den Gesetzen der Tora entspricht beeinflusst werden), oder sich gar in den Dienst einer Götzendienst Institution stellen. Dieser ganze Werdegang, wo der Mensch tiefer und tiefer herabfällt, beginnt nach unseren Weisen damit, dass der Mensch die Gesetze des Schmitta Jahres missachtet.
Falls sich nun ein Jude an einen nichtjüdischen Besitzer oder gar an eine heidnische Institution verkauft hat, ist es eine Mizwa (ein Gebot), ihn mit Geld zu erlösen und ihn zurückzukaufen. Denn, so heisst es im Chumasch: „Denn mir sind die Kinder Israels Sklaven.“ – in anderen Worten: Sie sind Diener G-ttes und es passt nicht, dass sie gleichzeitig sich anderen Menschen als Sklaven verkaufen. Dabei zählt die Tora verschiedene Verwandte nach der Reihe ihres Verwandtschaftsgrades auf. Diesen obliegt die erste Pflicht, ihn zu erlösen. Bemerkenswert dabei ist, dass der Vater gar nicht erwähnt wird. Der Sklave selbst kann sich natürlich auch erlösen, wenn er den Restbetrag aufbringen kann. Aber auch diese Option wird als verblüffenderweise erst als allerletzte erwähnt. Dabei ist es sicherlich zuallererst seine eigene Pflicht, etwas für seine Erlösung zu unternehmen.
Auch bemerkenswert ist, dass die Tora das Gebot von Schmitta mit den Worten: „Und G-tt sprach zu Mosche auf dem Berg Sinai usw..“ Alle Gebote wurden in Sinai gegeben, warum wird dies gerade in diesem Zusammenhang betont?
Um diese Fragen zu beantworten, wollen wir die Bedeutung des Ereignis von Sinai etwas vertiefen: Nicht bloss wurden am Berg Sinai die Gesetze gegeben, sondern es wurde ein Bund zwischen G-tt und Israel geschaffen. Dieser Bund wirkt in alle Zeiten, so dass auch vielen Generationen der Mensch kein Recht hat, sich als Sklave zu verkaufen, denn er gehört zu G-tt.
Ein Mensch der sich nun doch verkauft, gegen den ausdrücklichen Wunsch der Tora ist ganz offensichtlich weit von seinem Ursprung. Dennoch bleibt er innerlich mit G-tt verbunden, und deshalb das Gebot, ihn zu erlösen. Die Seele des Menschen und der g-ttliche Funke in ihr werden in der Kabbala als Chochma – Weisheit und Abba – der Vater bezeichnet. Bei einem Menschen, der die Schmitta Gesetze missachtet hat, und soweit gefallen ist, dass er sich gar dem Dienst in einer heidnischen Institution verkauft hat ist dieser Funke zutiefst verborgen. Deshalb sagt die Tora nicht, sein Vater soll ihn erlösen.
Da er so tief gefallen ist, kann er sich meist selbst auch nicht erlösen, nach dem bekannten Grundsatz: Ein Gefangener kann sich nicht selbst von der Gefangenschaft befreien. Deshalb müssen ihm seine Verwandten und Freunde zu Hilfe kommen. Dies ist auch im geistigen Sinn zu verstehen. Manchmal braucht der Mensch Hilfe von Draussen, um wieder auf den rechten Weg zu kommen. Doch das Ziel ist, dass er selbst den Weg zu G-tt zurückfindet. Deshalb wird zuallerletzt erwähnt, dass, wenn es ihm möglich ist, er sich selbst wieder freikaufen soll. Nachdem ihm seine Freunde den Anstoss gegeben haben, kann er dann mit eigenen Kräften zurückfinden und den Funken wieder wecken.
Diskutieren Sie mit