1. Am Anfang des Wochenabschnittes steht dreimal das Wort "Teruma" (Anm. d. Übers: hebr. Gabe): a) "und sie nahmen wir eine Gabe"; b) "welches sein Herz gibt, nehmt meine Gabe; c) "und dies ist die Gabe welche ihr von ihnen nehmt, Gold und Silber und Kupfer". Die Gemara sagt, die drei Gaben seien erstens der halbe Schekel, welcher von jedem entrichtet wurde um daraus die Schwellen des Heiligtums herzustellen; zweitens die Altarabgabe – der halbe Schekel, welcher von jedem gegeben wurden muss, um davon die öffentlichen Opfer zu kaufen und drittens die freiwillige Altarspende von jedem einzelnen, welche zum Bau des Heiligtums und seinen Geräten verwandt wurde.

Ein Unterschied zwischen diesen Spenden ist, dass während die Gaben für Schwellen und Opfer jeweils einen halben Schekel betrugen, die freiwillige Spende für Heiligtum und Gerät auf keine feste Summe festgelegt war, sondern nach Belieben gegeben wurde. Welche Bedeutung hat dieser Unterschied? Weshalb waren die Gaben für Opfer und Schwellen anders als jene, für die übrigen Bedürfnisse des Heiligtums?

2. Es ist verständlich, warum der halbe Schekel der Altarabgabe bei allen gleich ist, denn diese Gabe dient um „eure Seelen auszusöhnen“ wie auch Raschi erklärt, dass die öffentlichen Opfer der Aussöhnung dienen, d.h. der Aussöhnung der Sünde des goldenen Kalbs, wie es im Jeruschalmi und im Midrasch steht. Die Sünde des goldenen Kalbs war eine allgemeine Sünde, welches nicht nur jene betraf, die sich an ihr beteiligt hatten. Auch den Stamm Lewi, der sich nicht an dieser Sünde beteiligte, ja selbst unseren Meister Mosche, der sich zur Tatzeit nicht dort aufhielt und deshalb nicht einmal in die Kategorie eines Menschen fällt, der die Möglichkeit gehabt hätte, gegen diese Tat zu protestieren, selbst sie wurden von dieser Tat berührt, wie es dort steht „geh, steig hinab“, wie unsere Meister seligen Andenkens sagten „steig hinab von deiner Größe“.

Die Sünde des goldenen Kalbes war eine Angelegenheit ganz Israels. Sie bezeichnet das Scheitern des ganzen Volkes, d.h. einen Schaden an der Allgemeinheit. Deshalb musste auch Buße und Aussöhnung durch eine allgemeine Anordnung geschehen. Da es sich um eine Angelegenheit der Allgemeinheit handelte, gaben alle daher das Gleiche.

3. Wir werden nun diesen Ansatz ausführlicher betrachten. Es ist bekannt, dass die Sünde des goldenen Kalbes von derselben Art ist, wie die Sünde des Baums des Wissens. Durch die Sünde des Baums des Wissens kam Unreinheit in die Welt, zum Zeitpunkt der Gabe der Tora hörte sie auf und durch die Sünde des goldenen Kalbes kehrte diese Unreinheit wieder. Deshalb versteht sich, dass sich der Inhalt der Sünde des goldenen Kalbes klarer erschließt, indem man darüber nachdenkt, worin die Sünde vom Baum des Wissens bestand und was der Inhalt der Gabe der Tora war.

Zu Beginn der Schöpfung wurde „die Welt samt Inhalt erschaffen“ und der „Hauptteil der g“ttlichen Einwohnung befand sich in den unteren Welten“. Durch die Sünde des Baumes des Wissens kam Unreinheit in die Welt und sie war nicht mehr ein Gefäß für offenbarte G“ttlichkeit. Es ist bekannt, dass die Vorväter die gesamte Tora hielten, obwohl sie noch nicht gegeben wurde. Doch das Einhalten der Gebote war nicht mit der Innerlichkeit der Materie verbunden, weil Spiritualität und Materie sehr weit voneinander waren. Deshalb konnte die Spiritualität nicht in der Innerlichkeit der Materie bestehen und sich nicht dauernd mit ihr verbinden.

Das Neue, welches mit der Übergabe der Tora in die Welt gelangt, bleibt auch nach der Sünde des goldenen Kalbs bestehen, wie man auch heute am Unterschied zwischen Juden und Nichtjuden erkennt. Bei den Juden bestehen Tora und Mizwot in der Materie weiter fort. Ihre Aufgabe ist es Materie und G“ttlichkeit miteinander zu vereinen. Aber ein gewisses Maß an Verunreinigung ist zurückgeblieben und diese Verunreinigung ist nicht nur in einzelnen Dingen zu finden, sondern ebenso in der Welt als Ganzes.

Die Antwort auf die Sünde des goldenen Kalbes ist der halbe Schekel, wie es steht „dies werden sie geben“, „dies“ bezieht sich auf die Offenbarung, wie unsere Meister seligen Andenkens sagen „jeder einer zeigt mit dem Finger und sagt ‚dies ist mein G“tt’“, d.h. durch den halben Schekel und den Opferdienst, und in dieser Zeit durch den Gebetsdienst, welcher den Opferdienst ersetzt, nimmt man die Verunreinigung weg und leitet G“ttlichkeit in diese Welt.

Daher ist es verständlich, dass sich sowohl die Sünde des goldenen Kalbes als auch ihre Wiedergutmachung in der öffentlichen und allgemein gültigen Sphäre zu finden sind.

4. Damit werden auch die Gesetze des halben Schekels verständlich:
a) die Gelder, welche von jedem gegeben werden mussten, waren öffentliche Gelder. Jeder gab von seinen privaten Mitteln, aber auf eine Weise, dass aus den privaten Geldern öffentliche Mittel, nicht etwa gemeinsames Eigentum wird.
b) die Gelder des halben Schekels waren ganz und gar dem Kauf von öffentlichen Opfern gewidmet.

Der Rambam erklärt in seinem Vorwort seiner Deutung der Mischna (Seder Kodaschim), dass es vier Arten von Opfern gibt 1) Opfer der Öffentlichkeit; 2) Opfer von Einzelnen; 3) Opfer der Öffentlichkeit, die Opfer von Einzelnen gleichen und 4) Opfer von Einzelnen, die einem Opfer der Öffentlichkeit gleichen. Opfer der Öffentlichkeit, das sind jene Opfer, die zu einer festgelegten Zeit von der Öffentlichkeit dargebracht werden, so wie die ständigen Opfer und die Zusatzopfer. Opfer von Einzelnen, das sind jene Opfer, die keine festgelegte Zeit haben und von jedem dargebracht werden können. Opfer der Öffentlichkeit, die Opfer von Einzelnen gleichen, das sind jene Opfer, die zu keiner festgelegten Zeit, aber von der Öffentlichkeit dargebracht werden, wie das Opfer bei dem Irrtum eines Gerichtes. Opfer von Einzelnen, die einem Opfer der Öffentlichkeit gleichen, das sind jene Opfer, die zwar von Einzelnen dargebracht werden, aber eine festgelegte Zeit haben, wie z.B. das Pessachopfer.

Opfer von Einzelnen, auch jene, die Opfern der Öffentlichkeit gleichen, wurden nicht von den Geldern des halben Schekels gekauft. Wegen Opfern der Öffentlichkeit, die Opfern von Einzelnen gleichen, gibt es unterschiedliche Meinungen, die endgültige Entscheidung ist, dass man für jene Opfer nicht die halben Schekel verwandt hat, sondern nur für die ganz und gar öffentlichen Opfer.

Der innere Grund für beide Gesetze ist, dass der halbe Schekel eine Angelegenheit der Öffentlichkeit war und deshalb auch nur für vollkommen öffentliche Opfer verwandt werden konnte.

5. Dies ist die Erklärung, warum die Abgabe für den Altar für alle gleich war. Aber bei der Abgabe für die Schwellen ist nicht verständlich, warum die Abgabe genau ein halber Schekel sein musste.

Darüber hinaus scheint folgendes unklar:
Die Schwellen sind doch ein Teil des Heiligtums. Dies bedeutet doch, dass sowohl die Abgabe für die Schwellen als auch die Abgabe für das Heiligtum dem selben Heiligtum und seinen Gerätschaften zugute kommen (denn das unterscheidet sie von der Abgabe für den Altar). Warum also wurden sie in zwei besondere Abgaben unterteilt, welche sich auch ihren Gesetzten nach unterscheiden? Für die Abgabe des Heiligtums gilt „jeder Mann, je nachdem was sein Herz hergibt“ und für die Abgabe der Schwellen gilt „ein Maß für jeden Kopf“.

6. Der Talmud Jeruschalmi erklärt für die drei Erwähnungen des Wortes „Teruma“ welche Abgabe damit jeweils gemeint ist: „und sie werden mir eine Gabe nehmen“ – dies ist die Abgabe für die Schwellen; „nehmt meine Gabe“ – dies ist die Abgabe für den Altar; „und dies ist die Gabe, welche ihr von ihnen nehmen werdet…“ – dies ist die Abgabe für das Heiligtum. Und so wird dieser Vers gelehrt und gelernt: bei „dies ist die Gabe, welche ihr von ihnen nehmen werdet“ steht weiter „…Gold und Silber und Kupfer…“. Die dreizehn bis fünfzehn genannten Sachen beziehen sich auf die freiwillige Gabe für das Heiligtum. Im Vers „nehmt ihr meine Gabe“ steht weiter „...welche sein Herz hergibt“, daher bezieht sich der Vers auf die Opfer, welche mit den Gedanken des Herzens verbunden sind (so auch die Gebete, welche entsprechend den ständigen Opfern eingesetzt wurden, und Dienst des Herzens genannt werden, da die Hauptsache der Gebete die Gedanken sind.

Es bleibt noch der Satz „und sie werden mir eine Gabe nehmen“, welcher sich demzufolge auf die Abgabe für die Schwellen beziehen muss. Daraus ergibt sich, dass das Wort „mir“ ausgerechnet bei der Abgabe für die Schwellen erwähnt wird.

Nun stimmt es sicherlich, dass sich das „mir“ auf alle drei Abgaben, und noch tiefer – auf die Gesamtheit der Tora und der Mizwot bezieht, wie es im Tanja im Namen des Sohar steht, dass man durch Tora und Mizwot zum „und sie nahmen mir“ gelangt – von mir nahmen sie. Aber trotzdem wird das Wort „mir“ eben gerade im Zusammenhang mit den Schwellen des Heiligtums erwähnt.

Daran erkennt man eine weitere Unterscheidung zwischen den Schwellen und den anderen Teilen des Heiligtums (und der Opfer): gerade bei den Schwellen ist das „mir“ offensichtlich, denn überall dort wo „mir“ steht, von dort weicht es niemals.

7. Die Unterscheidung zwischen den Schwellen und den anderen Teilen des Heiligtums in beiden erwähnten Weisen wird verständlich, nachdem wir die Bedeutung der Schwellen in der Seele des Menschen erklären.

Zum Vers „und sie machten mir ein Heiligtum und ich weilte in ihnen“ stellen unsere Meister seligen Andenkens akribisch fest: „nicht in ihm heißt es, sondern in ihnen, in jedem einzelnen Israels. Daraus ergibt sich von selbst, dass sich im spirituellen Heiligtum, welchen jedem Juden innewohnt, alle Teile des Heiligtums wieder finden, darunter auch die Schwellen.

8. Die Schwellen waren der niedrigste Teil des Heiligtums. Gerade deshalb bildeten sie das Fundament des gesamten Heiligtums, auch der Pfosten und Stoffbahnen, die ja höher waren als die Schwellen.

Im G“ttesdienst des Menschen bedeuten die Schwellen Bescheidenheit und Selbstaufgabe.

Die Pfosten bezeichnen die inneren Kräfte des Menschen, seinen Intellekt und seine Gefühle, deshalb sind die Pfosten auch zehn Ellen lang – entsprechend der zehn Kräfte der Seele. Die Stoffbahnen bezeichnen wiederum die umgebenden Kräfte.

Die Schwellen sind niedriger als jeder einzelne Dienst. Dies verkörpert die Demut und Selbstaufgabe beim Tragen des Joches der Tora, welche eben die Grundlage des ganzen Heiligtums bilden, so wie wir sagen: „meine Seele sei für jeden wie Staub“. Und eben dadurch kommt man zu „öffne mein Herz für Deine Lehre und Deine Gebote soll meine Seele verfolgen“.

9. Dies ist auch der Grund, warum die Gabe für die Schwellen nur im ersten Jahr entrichtet wurde, während die anderen Abgaben auch später fällig wurden.

Die Bedeutung davon ist: Demut und Selbstaufgabe sind Grundlage und Anfang des G“ttesdienstes. Zuallererst braucht man sie. Nachdem dieses Fundament gelegt ist, kann und muss man sich mit den einzelnen Abstufungen des G“ttesdienstes beschäftigen.

Deshalb beginnt der tägliche G“ttesdienst mit dem Mode-Ani (Anm. d. Übers. dem morgendlichen Dankspruch) und dem Hodu le Haschem (Anm. d. Übers.: dem Beginn der morgendlichen Psalmen „Dankt dem Ewigen“), denn Danksagung und Selbstaufgabe sind Beginn und Grundlage des G“ttesdienstes, danach folgen die einzelnen Stufen: die täglichen Psalmen, die Segenssprüche vor dem Schma-Israel, das Schma usw.

10. Demzufolge kann man beide Unterschiede zwischen den Schwellen und den anderen Teilen des Heiligtums verstehen:

In den inneren Arbeiten – dem Pfosten und den Stoffbahnen – bestehen Unterschiede zwischen dem einen und dem anderen, denn jeder soll G“tt mit seinen besonderen Fähigkeiten dienen, in der Selbstaufgabe und der Aufsichnahme des Joches der Tora jedoch sind alle gleich.

Wie kann man das „mir“, den Wesenskern G“ttes erfahren? Nur durch Selbstaufgabe. Nicht mit Feuer, nicht mit Lärm, nicht im Sturm – sondern nur im Laut einer feinen Stille, dort findet man Ihn (entsprechend den Erläuterungen dieser vier Motive in der Vortragsserie 5592).

11. Wenn auch die Aufsichnahme des Joches der Tora und die Selbstaufgabe die Grundlage des G“ttesdienstes bilden, so bleiben sie trotzdem, wie bereits gesagt, nur die Grundlage. Die Arbeit wird erst vollkommen, wenn auch die inneren Kräfte – Denken und Fühlen – G“tt geweiht werden. Deshalb kann man durch dem halben Schekel nicht ausgelöst werden, so wie auch in den Gesetzen des Opferdienstes steht: „Ein Reicher, der die Gabe eines Armen darbringt, ist nicht ausgelöst“. Von jedem einzelnen wird gefordert, dass er sein ganzes Denken und sein ganzes Fühlen G“tt weiht.

Auf der anderen Seite jedoch steht an der selben Stelle dass „ein Armer, der die Gabe eines Reichen darbringt“ ausgelöst ist und die Kommentatoren erklären, dass dies nicht nur im Nachhinein, sondern auch im Vornhinein gilt, und nicht nur das sondern: „er wird deshalb gesegnet werden“.

Die spirituelle Bedeutung davon ist: Auch von einem Armen im Geiste, dem es an Wissen der offenbarten Tora und selbst an der angemessenen Erfüllung der Gebote mangelt, selbst von ihm fordert man, dass er die Innerlichkeit der Tora lernt – die Gabe des Reichen – und gerade dadurch wird er gesegnet werden, d.h. zum Reichen werden. Es gibt keinen Reichtum, sondern nur dem an Verstand und er, der Arme, wird auf spiritueller Ebene – an Sinnen und Fähigkeiten – reich. Dadurch wiederum wird er letztendlich auch reich im einfachen Sinne – an Kindern, Gesundheit und Lebensunterhalt.