Warum ist es besonders passend, vor Rosch Haschana den Wochenabschnitt Nizawim zu lesen? Weil diese Parascha in die Zukunft blickt und uns darauf vorbereitet. Das Wort Nizawim bedeutet „du stehst“ – nicht nur vor G–tt wie unsere Ahnen, sondern auch am Anfang einer neuen Reise ins Gelobte Land.

Im Text ist vom „Eintritt in den Bund“ die Rede. Aber war der Bund nicht längst geschlossen, nämlich am Berg Sinai? Doch, aber nun waren die Juden in eine neue Phase ihrer Entwicklung eingetreten und mussten den Bund noch einmal bewusst akzeptieren. Auch wir müssen jeden Tag überlegen, was wir tun und warum wir es tun.

Nizawim spricht immer wieder von der Zukunft: „Und es wird geschehen ...“, „Und die künftigen Generationen ...“ Aber die wohl faszinierendste Voraussage geht weit über die unmittelbare Zukunft hinaus, vielleicht sogar bis in unsere Zeit: „Dann wird der H-rr, euer G–tt, euch aus allen Völkern heraus versammeln ... und euch in das Land führen, das eure Väter besessen haben, und ihr werdet es besitzen.“

Damals standen die Juden nach vierzigjähriger Wanderschaft kurz vor dem Einzug ins Gelobte Land. Warum also spricht G–tt von einer weit entfernten Zukunft, in der sie „zerstreut“ sein werden und nach Israel zurückkehren müssen?

Das Judentum ist eine sehr alte Religion, die im Laufe der Jahrhunderte viele Anfeindungen wie durch ein Wunder überstanden hat und erstaunlicherweise heute noch frisch und einflussreich ist. Es ist auch eine Religion der Zukunft, und das wollte G–tt unseren Vorfahren sagen, als sie über den Jordan schauten.

Wenn Sie hier stehen und Rosch Haschana als Übergang in Ihre Zukunft betrachten, und wenn Sie sich vorstellen, dass G–tt Sie für ein gutes neues Jahr in das Buch des Lebens einträgt, warum schreiben Sie dann nicht Ihr eigenes Gebet?

Die Juden sind mit ihrer Religion ein ungewöhnliches Volk auf dieser Welt, denn sie glauben, dass jeder Einzelne große Macht besitzt: die Macht, mit Hilfe der Seele, die ja „ein wahrer Teil G–ttes“ ist, die Tora zu verstehen; die Macht, unmittelbar und ohne Vermittler mit dem Allm-achtigen zu sprechen; und die Macht, durch Worte und Taten ein Vertreter G–ttes zu sein.

Dabei ist das Gebet ein wichtiger Aspekt, denn es bündelt unseren Willen und unsere Wünsche. Es verbindet uns mit einer größeren Gemeinschaft und mit G–tt selbst. Es gibt uns die Kraft, das Richtige zu tun. Wenn wir sagen, was richtig ist, kommen wir der praktischen Umsetzung einen Schritt näher.

Also schreiben Sie Ihr eigenes Gebet. Fertigen Sie einen Entwurf an, überarbeiten Sie ihn, betrachten Sie das Gebet als Ihre persönliche Zugabe zum G–ttesdienst an Rosch Haschana. Sprechen Sie das Gebet. Es wird Sie in Ihre Zukunft bringen, in die Zukunft des Judentums und in die Zukunft der Menschheit.