Manche nennen ihn „den langwierigsten Hass der Welt“. In allen Ländern und auf allen Kontinenten hebt er sein hässliches Haupt, sei es als rohe Bigotterie, sei es in subtiler Form. Antisemitismus ist eine Tatsache.

Natürlich wünschen wir uns alle, er möge verschwinden. Nach Auschwitz hatten wir sogar Hoffnung. Wer von uns möchte nicht akzeptiert und geschätzt werden? Aber es gibt auch die Ansicht, der Antisemitismus nütze den Juden auf perverse Weise. Der französische Philosoph Jean-Paul Sartre behauptete das in seinem Buch „Antisemit und Jude“. Wären wir Juden nicht ständig in unserer Existenz bedroht gewesen, wären wir in eine friedliche, passive nationale Amnesie versunken. Hätten wir in Sicherheit gelebt, hätten wir vielleicht viel von unserer einzigartigen Identität verloren. Die Geschichte lehrt, dass wir standhaft jüdisch blieben, wenn man uns verfolgte, während wir unter aufgeklärten, liberalen Regierungen langsam von einer großzügigen, aber dominierenden Kultur aufgesogen wurden, so dass unsere Kultur verfälscht wurde.

In den 70er-Jahren arbeitete ich mit jüdischen Studenten. Wir bemühten uns, die Mauer aus eisiger Gleichgültigkeit gegenüber dem Judentum zu durchbrechen. Es war so frustrierend, dass meine Kollegen und ich sogar mit dem Gedanken spielten, nachts auf den Campus zu gehen und auf das Gebäude der Studentenvereinigung ein paar Hakenkreuze zu malen, in der Hoffnung, die Leute aus ihrer Apathie zu reißen. Natürlich taten wir das nicht; aber ich gebe zu, die Idee war verlockend.

Gegen Ende der neuen Parascha lesen wir von dem Gebot, an den unprovozierten Angriff von Amalek auf die Juden nach der Flucht aus Ägypten zu denken. Das Gebot ist in dem Wort Sachor („denkt daran“) am Anfang des Wochenabschnitts enthalten. Die letzten Worte sind lo tischkach („ihr sollt nicht vergessen“). Warum zwei Aufforderungen? Und wie unterscheiden sich „daran denken“ und „nicht vergessen“? Ist eines von beiden überflüssig?

Kommentatoren erläutern, dass „erinnern“ ein Gebot für das jüdische Volk ist, während „nicht vergessen“ eine Art Vorhersage ist: Man wird nicht zulassen, dass ihr vergesst! Wenn ihr euch jemals in falsche Sicherheit wiegt und eure Jiddischkeit vergesst, werden die Antisemiten der Welt euch daran erinnern, wer ihr seid – „ein Volk, das alleine lebt“ (Numeri 23:9). In der Schöpfung hat alles seinen Sinn. Nichts ist in G-ttes Welt überflüssig. Welchen Sinn hat ein Antisemit? Wie gesagt, er soll die Juden daran erinnern, dass sie jüdisch sind!

Aber warum warten wir darauf, dass die Amalekiter dieser Welt uns erinnern? Wollen oder brauchen wir ihren Hohn? Nein, wir müssen aktiv jüdisch, positiv jüdisch und jüdisch positiv sein. Sie können das alte jiddische Lied auf zweierlei Weise singen. Entweder „Oi, es is gut, zu sein a Jid“ oder „Oi, es is schwer, zu sein a Jid“. Es gibt tausend gute Gründe, positive Gründe, ein stolzer Jude zu sein. Während es vor 60 Jahren den Tod bedeutete, Jude zu sein, bedeutet es heute das Leben, ein sinnvolles, gesegnetes Leben. Und wenn wir beschließen, stolz und engagiert als Juden zu leben, machen wir eine faszinierende Entdeckung: Wenn wir uns achten, dann achtet uns die Welt. Und das gilt für alle, vom einzelnen Juden bis zur jüdischen Gemeinde. Das Judentum ist ein Segen, keine Last. Wir müssen stolz auf unser Erbe sein. Es ist ein Ehrenzeichen. Wenn Sie nicht wissen, warum, dann studieren Sie das Judentum. Aber das ist ein anderes Thema.