Nicht nur das jüdische Volk hatte Propheten. Im Toraabschnitt dieser Woche lesen wir von Bilam, einem Propheten, der im Land Midjan zu Hause war. An ihn wendet sich Balak, der König von Moav, mit einer eigenartigen Bitte.
Balak hatte mitangesehen, wie das jüdische Volk nach dem Auszug aus Ägypten ziemlich ungehindert in Richtung des Heiligen Landes zog - und auf dem Weg dorthin sogar einen Krieg gegen die mächtigen Ammoniter, die Nachbarn Moavs, gewonnen hatte. Nun hat Balak, der König von Moav, Angst bekommen um seine Macht.
Diese Angst war vielleicht unbegründet, schließlich wollte das jüdische Volk gar nichts in Moav, sondern es wollte nur nach Israel ziehen - trotzdem: Der König von Moav will etwas gegen dieses heranziehende Volk unternehmen.
Und da er offensichtlich nicht auf militärische Stärke setzen kann, versucht er es mit einer spirituellen Methode. Er wendet sich an den Propheten Bilam mit der Bitte, er möge doch das jüdische Volk verfluchen. Bilams Ruf als großer Prophet hatte sich so weit herumgesprochen, dass man seinem Segen oder Fluch eine hohe Wirksamkeit zutraute. Würde er das jüdische Volk verfluchen, wäre Balaks Problem gelöst.
Denn das Volk ist gesegnet
Doch es stellt sich als nicht so einfach heraus. Zunächst muss Bilam abwinken. Denn G-tt erscheint ihm in einem nächtlichen Traum und sagt ihm, dass das mit dem Fluch nicht funktionieren wird. „Geh’ nicht mit!” sagt Er ihm kurz und bündig, denn das Volk ist gesegnet. Also muss Bilam seine Gäste aus Moav unverrichteter Dinge abziehen lassen.
In Moav interpretiert man diese Absage eher realpolitisch - vielleicht hat man Bilam nicht genug Geschenke gegeben - und versucht es noch einmal. Diesmal schickt Balak dem Bilam eine vornehmere Delegation als zuvor, mit noch mehr Geschenken, um den Propheten zu bewegen, doch zu kommen. Dass Bilam gerne kommen will, liegt auf der Hand. Wieder erscheint ihm G-tt im Traum und gibt ihm Anweisung. Doch das Überraschende ist: Diesmal sagt G-tt ihm, er möge ruhig mit den Herrschaften aus Moab mitgehen. Aber er soll wissen, dass er nur das wird sagen können, was G-tt ihm eingibt.
Freie Wahl bis ans Ende
Die Gelehrten des Talmud haben zu dieser Szene eine philosophische Frage aufgeworfen: Wenn ohnehin von vornherein klar ist, dass Bilam gar nicht nach seinem Gutdünken fluchen darf, warum soll er dann überhaupt hingehen? Warum heißt es nicht auch beim zweiten Mal ganz einfach "du wirst nicht mit ihnen gehen"?
Die Antwort darauf ist: Auf den Weg, den ein Mensch gehen will, lässt G-tt ihn gehen. Wenn jemand sich unbedingt auf einen schlechten Weg begeben will, so wird ihm oder ihr auch das nicht verwehrt. Der Mensch hat die freie Wahl, sich so oder so zu entscheiden. Deshalb konnte Bilam sich auf den Weg machen, obwohl er es vom ersten Versuch her doch besser hätte wissen können.
Selbstverständlich führt dieser selbstgewählte falsche Weg nicht wirklich zum Erfolg. Bilam startet zwar drei Versuche, das jüdische Volk zu verfluchen. Er versucht es von verschiedenen Standorten aus, jedesmal mit einem ausgeklügelten Ritual, aber es gelingt ihm nicht und nicht, einen Fluch auszusprechen. Denn wenn G-tt will, ist das jüdische Volk gesegnet. Daran können auch noch so geschickte Kooperationen zwischen mächtigen Königen und angesehenen Propheten nicht rütteln.
Diskutieren Sie mit