Seit vielen Jahren machen Soziologen sich Gedanken über die vielen Menschen, die in die Städte oder aus ihnen hinaus strömen. Im Laufe der Geschichte haben sich immer wieder große Handels- und Kulturzentren entwickelt, Orte, an denen die Herrscher sich trafen und große Ereignisse mit Tausenden von Teilnehmern stattfanden.

Heute gibt es Anzeichen dafür, daß die Zeit der Großstädte vorbei ist. Die Technik macht es möglich, daß Geschäftsleute überall auf der Welt miteinander Kontakt aufnehmen und sogar Videokonferenzen abhalten können. Sie können also im Gebirge oder am Meer wohnen! Viele Firmenzentralen aus Glas und Chrom existieren noch, und viele Unternehmen wollen ihre Mitarbeiter persönlich motivieren oder maßregeln. Aber in dreißig oder vierzig Jahren werden die Menschen vielleicht keine Lust mehr haben, Hände zu schütteln, Büros einzurichten oder sich mit Kaffee begießen zu lassen. Sie werden sich nur noch “online” unterhalten und irgendwo wohnen, wo sie ein Modem anschließen können. Großstädte könnten bald aussehen wie die Ruinen von Ninve!


Vielleicht macht dieser Gedanke Sie traurig oder sogar nervös. Wenn Sie noch keine Zeit hatten, diese Gefühle auszudrücken, lesen Sie den Wochenabschnitt Reeh. Sie werden sehen, daß Ihre Gefühle durchaus berechtigt sind.

Die Tora in Deut. 12:11 sagt: “... an den Ort, den der H-rr, euer G-tt wählt, sollt ihr alles bringen, was ich euch gebiete.” Dabei ging es um das Heiligtum und den Altar, um einen Versammlungsplatz, an dem die Juden nicht nur beten, sondern eine Gemeinschaft bilden und ihre Identität bekräftigen konnten.

Heute setzen wir diese Praxis fort, sowohl in physischer als auch in symbolischer Weise: Wir treffen uns in Gruppen in den Synagogen und wenden uns dem Toraschrein zu, also auch dem Heiligen Land. So verbinden wir uns metaphysisch mit dem ganzen Judentum.

Warum tun wir das? Wir haben doch alle ein persönliches Modem zu G-tt und können überall, jederzeit und ohne Vermittler oder Minjan beten. Trotzdem brauchen wir die Gemeinschaft, so wie wir die Familie brauchen. Gewiß, Sie können mit Ihrer Tante telefonieren - warum also 200 Kilometer zu ihrem Pessach-Seder fahren?

Weil das Ganze größer ist als die Summe seiner Teile. Weil wir nicht “die Individuen”, sondern “das Volk” sind. Wenn G-tt wollte, daß wir miteinander nur über das Internet reden, wäre eine Umarmung nicht ein so schönes Erlebnis.