Seit die Wissenschaftler die Natur des Universums verstehen - seine gewaltige Größe, die Zusammensetzung der Sterne, die faszinierenden Bewegungen und die Geschwindigkeit der Himmelskörper -, spekulieren sie über die Existenz intelligenten Lebens auf fernen Planeten. Es gibt zahllose Projekte, die den Himmel nach Anzeichen für Außerirdische absuchen, und die Sensationspresse verbreitet Geschichten über UFOS.
Die meisten Wissenschaftler sind der Meinung, daß es auf einigen Planeten der vielen Milliarden Sonnen im Weltraum Leben geben muß. Aber es gibt auch andere Ansichten. Der Paläontologe Stephen Jay Gould, ein angesehener Wissenschaftsautor, gibt zu bedenken, daß selbst vom wissenschaftlichen Standpunkt aus derart viele biologische “Zufälle” eintreten mußten, um Menschen hervorzubringen, daß wir keinen Grund zu der Annahme haben, dieser Prozeß habe sich überall im Kosmos abgespielt. Abgesehen davon ist nicht bewiesen, daß “Intelligenz” für die Erhaltung einer Art wichtig ist.
Warum also existieren wir? Selbst Gould gibt zu, daß dies keine wissenschaftliche, sondern eine religiöse Frage ist. Aber die meisten Menschen glauben immer noch, Religion und Wissenschaft seien nicht miteinander zu vereinbaren: Auf der einen Seite steht die “wörtliche” Auslegung der Tora, auf der anderen die undogmatische Forschung. Ist die Auslegung der Tora also eine Verirrung des modernen Denkens? Oder ist die Tora ein immer aktuelles Dokument, das es uns ermöglicht, Wahrheiten zu entdecken, die ebenso wichtig sind wie jene, die unsere Vorfahren begriffen haben? Beides ist richtig.
Der Wochenabschnitt Dwarim ist der Beginn des fünften und letzten Buches der Tora. Er unterscheidet sich von den anderen vier insofern, als er die Worte des Mosche wiedergibt. Alle Worte der ersten vier Bücher gelten als Derech Ma’avir, als Wort G-ttes, so wie er es durch Mosche gesprochen hat. Dwarim gilt dagegen als derech hislobschus, als Mosches Auslegung der Worte G-ttes.
Dieses “Auslegen” ändert jedoch nichts daran, daß die Tora das Wort G-ttes ist. Wir brauchen Mosche und Dwarim als Brücke zwischen der transzendenten, spirituellen Welt, wie sie in den ersten vier Büchern zum Ausdruck kommt und wie die Juden in der Wüste sie erfahren haben, und der materiellen Welt, in der die Kinder Israel sich auf den Einzug ins Heilige Land vorbereiten. Auslegen heißt, sich zu eigen machen, also die Gebote in sich aufnehmen und in der heutigen Gesellschaft befolgen. Aber dafür ist zweierlei notwendig: der Glaube, daß die Tora alle Wahrheit enthält, die wir brauchen, und der Wille, diese Wahrheit jeden Tag zu suchen. Eine unvoreingenommene Prüfung, wie sie in der Wissenschaft üblich ist, vertieft unser Verständnis der Tora.
Jeden Tag entdecken wir Wahrheiten, oder wir entdecken sie neu. Wenn wir alles - die wissenschaftliche oder die moralische Wahrheit - auf einmal finden würden, bräuchten wir nicht länger zu suchen. Aber das Wunder der Tora besteht darin, daß sie uns ständig neue Einsichten schenkt, einerlei, wieviel wir schon entdeckt haben.
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