Der Wochenabschnitt »Wajikra« handelt von den Vorschriften für die Opfer, wie sie im Tempel zu bringen waren. Heute haben wir diesen Tempeldienst nicht mehr, welche Relevanz also haben all die detaillierten Vorschriften über die Opfer für uns?
Wenn auch der Tempel in Jerusalem zweimal zerstört wurde, erklärt dazu der Lubawitscher Rebbe, so gibt es Millionen von jüdischen »Tempeln«, die intakt sind: Jede jüdische Seele ist in sich selbst ein Heiligtum, ein »Tempel«, in dem der G-ttesdienst stattfindet.
Wie jedoch läuft der Dienst dieses inneren Heiligtums ab? Die Antwort ist in unserem Wochenabschnitt zu finden, wo es gleich zu Beginn des Textes heißt: »Wenn irgendjemand ein Opfer von Euch bringt zu G-tt ...« Auf den ersten Blick kann man die Worte »von Euch« auf »irgendjemand« beziehen. Also: Wenn irgendjemand von Euch ein Opfer bringt, dann gelten diese und jene Regeln.
Doch genau betrachtet sagt uns die Wortstellung des Satzes etwas anderes: Die Worte »von Euch« beziehen sich auf das Opfer – »ein Opfer von Euch«! Das zu bringende Opfer ist ein Teil von uns selbst, von unserer Persönlichkeit.
Der Text fährt fort damit, dass ein Tier getötet und auf dem Altar dargebracht soll. Was heißt das bezogen auf unseren Seelenhaushalt? Zunächst einmal sind »wir« gefordert zu kommen, »wir« mit der g-ttlichen Seele die jeder jüdische Mensch in sich hat. Doch haben wir auch ein Tier mitzubringen – das bezieht sich auf die »tiergleiche Seele«, die in uns allen steckt und für die materiellen Bedürfnisse und Instinkte verantwortlich ist.
Dieses Tier ist zu töten, lautet die Aufforderung – indem wir unsere Lebenskraft nicht aus jener »tiergleichen Seele« schöpfen, sondern all unsere Bedürfnisse und Triebe der »g-ttlichen Seele« unterordnen. Das heißt, dass sie auf den richtigen Weg umzuleiten sind, nicht aber, dass sie zu zerstören wären.
Bei diesem Vorgang ist noch etwas zu beachten: Nicht jedes Tier ist tauglich für ein Opfer. Es war im Tempel notwendig, ein Opfertier sorgsam zu kontrollieren, ob es auch tauglich sei, und nur ein Tier ohne Makel konnte dargebracht werden.
So ist es auch mit der Darbringung unseres »Opfers«. Bevor wir die tierischen Kräfte überhaupt den g-ttlichen unterordnen können, müssen sie sorgfältig und ehrlich analysiert werden, Fehler müssen aufgedeckt und korrigiert werden. Dann kann das Opfer dargebracht werden. Das Feuer, das die Opfer auf dem Altar verzehrte, symbolisiert dabei unsere Liebe zu G-tt. Diese Liebe sollen wir sowohl mit unserer g-ttlichen als auch mit unserer tiergleichen Seele üben.
Wie ein berühmter Ausspruch des Talmud sagt: »Du sollst den Ewigen, deinen G-tt lieben mit all deinem Herzen. - Was heißt ›mit all deinem Herzen‹? - Mit beiden Trieben.« Sowohl die materiellen als auch die geistigen Bedürfnisse in uns können der G-ttesliebe dienen.
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