Heutzutage leiden alle an einer Krankheit, die vor hundert Jahren noch nicht einmal einen Namen hatte, geschweige denn eine medizinische Bedeutung. Haben Sie ein „Aufmerksamkeitsdefizit“? Oder eine Sucht, die vor Jahren nur eine schlechte Gewohnheit war? Sind Sie das arme Opfer einer „Diskriminierung“ – wegen Ihres Alters, Ihres Geschlechts usw.? Oder haben Sie eine große Firma verklagt, weil diese Ihnen heimtückisch eine Ware angeboten hat, ohne zu sagen, wie gefährlich sie sein kann?

Hier ist eine Krankheit, die Sie wohl noch nicht kennen: Synästhesie. Dabei überschreiten die Sinnesorgane ihre Grenzen, und die Betroffenen sehen eine Hupe als Rot oder schmecken Schokolade, wenn sie ein Quadrat sehen.

Im Gegensatz zu den anderen erwähnten Problemen wird die Synästhesie nicht als Behinderung oder als Grund für Schadensersatz betrachtet. Die Betroffenen halten sie sogar für normal, denn sie kennen ja nichts anderes, und sie genießen es. Störungen des Farbsehens kommen häufiger vor. Aber wenn Sie Rot und Grün anders sehen als andere – woher sollen Sie das wissen? Sie können die Farben dennoch genießen.


Das bringt uns zu Josef, von dem wir diese Woche in Wajeschew lesen. Am bekanntesten ist er wegen seines bunten Mantels. Er sah in ihm ein Geschenk der Liebe von seinem Vater. Seine Brüder sahen darin eine Begünstigung. Ist das Familien-Synästhesie?

Der Mantel symbolisiert einen anderen Besitz Josefs, der viel erstaunlicher war: seine Fähigkeit, Träume zu deuten, der er seine Karriere in Ägypten verdankt. Der Pharao sieht nur sieben magere Kühe, die sieben fette verschlingen. Josef sieht sieben Hungerjahre, die sieben Jahre der Fülle zunichte machen. Einschläfernde Synästhesie?

Wir alle sollten in Frage stellen, was wir sehen. Manches ist scheinbar klar und einfach, zum Beispiel Farben und Formen. Aber Synästheten erfahren beides auf einer anderen Ebene. Übrigens, sind Farben und Formen wirklich so offenkundig? Üben Sie Ihre spirituelle Synästhesie!

Prüfen Sie ihre Sofortreaktionen kritisch. Nur G-tt sieht unsere ganze Seele. Wir sind Opfer unserer Menschlichkeit. In uns und in anderen gibt es viel mehr zu sehen, als unser Auge sieht.