Zwei Männer, die Hohepriester werden sollen, kommen mit Feuer und Weihrauch in ihren Pfannen ins Begegnungszelt und opfern G–tt ein „seltsames Feuer“. Das war ihnen nicht aufgetragen worden. Dennoch opfern sie es als aufrichtige Geste gegenüber G–tt. Was geschieht? Das Feuer verzehrt sie.
Die Männer sind Nadab und Abihu, die Söhne des Aharon, also gut ausgebildete Angehörige der Priesterklasse, die wissen, wie man sich im Heiligtum verhält. Darüber lesen wir diese Woche in Schmini. Warum werden sie verzehrt? Unsere Weisen haben mehrere Erklärungen. Die eine lautet:
Sie haben ihren Vater und ihren Onkel, Aharon und Mosche, nicht um Erlaubnis gefragt. Eine andere besagt, sie hätten getrunken und ihr Geist sei getrübt gewesen, so dass sie sich unangemessen benommen hätten.
Die Tora sagt klar, sie hätten „seltsames Feuer“ geopfert, also ungeweihtes Feuer, das nicht von den g-ttlich entzündeten Flammen des Altars stammte. Wie viele andere Ereignisse in der Tora können wir auch dieses nie eindeutig erklären. Manchmal bleibt uns G–ttes Wille verborgen, und das ist gut so. In diesem Fall genügt es zu verstehen, dass Ungehorsam, vor allem bei hohen Persönlichkeiten mit großer Verantwortung, ausreichte, um G–ttes Zorn auszulösen. Aber war es wirklich Zorn?
Ein anderer weiser Kommentator meint, Nadab und Abihu seien nach Hause gerufen worden, weil sie so fromm waren. Auch das können wir nicht mit Sicherheit wissen.
Eines aber wissen wir, und es wird seltener erwähnt: Die beiden hatten zwei Brüder namens Elasar und Itamar, die ebenfalls Priester wurden. Mosche macht ihnen Vorwürfe, weil sie den für Priester bestimmten Teil des Opfers nicht gegessen haben. Aharon entgegnet, sie hätten ein anderes Gebot befolgt, das Trauernden verbietet, vor der Beerdigung des Verstorbenen geweihte Speisen zu essen. Mosche gibt nach und entschuldigt sich sogar vor der ganzen Gemeinde für seinen Irrtum.
Es ist nicht immer leicht, aus einem einzigen Ereignis in der Tora eine zentrale Lektion herauszulesen. Interessant ist aber unter anderem, dass es in diesem Abschnitt um unsere Verantwortung vor G–tt und unseren Mitmenschen geht. Nadab und Abihu hatten die Pflicht, die Gebote über das Opfer genau zu befolgen, aber sie taten es nicht.
Aharon und seine anderen Söhne waren ihrerseits zwischen zwei Geboten gefangen: geweihte Speisen zu essen (eine Pflicht vor G–tt) und die Toten zu respektieren (eine irdische Mizwa). Sie entschieden sich für letzteres. Mosche stimmte zu, und offenbar war auch G–tt einverstanden, da er sie ja nicht bestrafte.
Bedeutet das, dass wir „menschliche“ Mizwot immer über „g-ttliche“ stellen müssen? Wenn es nur so einfach wäre! Aber das Problem hat einige wichtige Aspekte, zum Beispiel, dass wir die Wahl haben und dass wir uns richtig entscheiden, wenn wir mit klarem Geist in unsere Seele schauen.
Außerdem: Mizwot vor G–tt und Mizwot für Menschen können sich nicht wirklich widersprechen. Wenn wir die richtige Wahl treffen, befolgen wir beide.
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