Was bedeutet das Gehörte?

Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen (23:1).

Bevor Rabbi Suscha ein Rebbe wurde, war er ein Heiliger der im Verborgenen lebte und von Ort zu Ort reiste, ohne dass jemand seine innere Größe erkannte. Eines Tages saß er in einer fremden Stadt im Beit Midrasch, als eine Frau hereinstürmte. Sie war sehr aufgeregt. „Hat jemand meinen Mann gesehen?“ fragte sie.

Die Anwesenden erfuhren, dass der Mann vor langer Zeit verschwunden war und seine Frau ohne einen Pfennig zurückgelassen hatte. Sie konnte nicht wieder heiraten, weil der Mann sich nie hatte scheiden lassen. In ihrem Kummer suchte die Frau nach ihm, ging von Stadt zu Stadt und hoffte, ihn eines Tages zu finden. Überall fragte sie die Leute, ob sie ihren Mann gesehen hätten, und beschrieb ihn anhand einiger typischer Merkmale.

Als Rabbi Suscha vom Leid der armen Frau erfuhr, stand er auf und sagte zu ihr: „Geh in die Herberge dieser Stadt. Dort wirst du ihn finden.“

Ohne zu fragen, woher der Fremde das wusste, eilte die Frau ins Hachnasat Orchim – und dort war ihr verschollener Ehemann!

Die ganze Stadt war erstaunt. Woher hatte dieser Fremde, ein einfacher Mann, gewusst, wo sich der Mann dieser Frau befand, ohne einen Fuß in die Herberge gesetzt zu haben? War er eine Art Wundermann, ein Heiliger, den sie nicht kannten? Er war das Gespräch der Stadt.

Als die Leute zu Rabbi Suscha eilten und um eine Erklärung baten, sagte er bescheiden: „Ihr irrt euch, wenn ihr an ein Wunder oder an g-ttliche Eingebung glaubt. Ich hörte heute morgen zwei Männer reden. Der eine erwähnte nebenbei, ein Fremder sei in der Herberge angekommen. Ich fragte mich, was diese Worte für mich bedeuteten, warum der Himmel wollte, dass ich sie hörte. Es musste einen Grund dafür geben! Ich war immer noch verdutzt über die scheinbar unnötige Neuigkeit, als diese Frau hereinplatzte und ihren Mann suchte. Also schloss ich, dass es sich um den Neuankömmling handeln musste, und schickte sie in die Herberge.“ Bei seinen Bemühungen, das Wunder und die g-ttliche Eingebung herunterzuspielen, hatte Rabbi Suscha allerdings etwas vergessen: Er war anders als die anderen. Er hörte nur, was er hören sollte. Und obwohl die Leute dies nicht für ein Wunder im strengen Sinne hielten, wuchs ihre Achtung vor Rabbi Suscha, der nur hörte, was für ihn wichtig war.