Sie ist unbeständig und impulsiv. Ihre schwankenden Gefühle werden von Ausbrüchen inspirierter Kreativität unterbrochen. Gelegentlich leuchtet ihre Persönlichkeit wie der Vollmond, doch ebenso oft kommen Phasen untätiger Düsterkeit vor. Ansonsten wechseln diese Extreme sich ab, so dass sie sich meist in einem Niedergang oder in einer schmerzhaften Genesungsphase befindet.
Er ist phlegmatisch, zuverlässig und regelmäßig wie der Sonnenaufgang. Er steht jeden Morgen pünktlich auf, um den Zug zu erreichen, und ist zum Abendessen immer zurück. Er arbeitet gut und steht treu zu seiner Firma. Das stürmische Leben seiner Frau betrachtet er mit festem, aber wohlwollendem Blick.
Wie zu erwarten ist, handelt es sich nicht um eine einfache Ehe. Die beiden sitzen nicht auf einem Tandem. Wenn er nach vorne drängt, trödelt sie oft hinterher. Ein andermal bleibt er zurück, weil sie vorausstürmt. Aber sie halten durch. Und einmal in neunzehn Jahren wird ihre Mühe belohnt, denn ihre gegensätzlichen Lebensstile verschmelzen, und sie genießen einen Augenblick der Harmonie.
Als das neue Volk Israel sich auf den Exodus vorbereitete, befahl ihm G–tt zuerst, den jüdischen Kalender zu erstellen – nicht, sich zu beschneiden, einen Staat auszurufen oder Mazzot zu backen.
Die Zeit ist schließlich unser größter Schatz und letztlich der einzige, den wir haben. Wie wir die Zeit messen und erfahren, bestimmt mehr als alles andere, wer wir sind.
Darum haben wir wahrscheinlich den kompliziertesten Kalender der Welt.
Was macht den jüdischen Kalender so kompliziert? Er besteht darauf, den Sonnen- und den Mondzyklus zu vereinigen. Die 29,5 Tage des Mondzyklus nennen wir „Monat“, und die 365,25 Tage des Sonnenzyklus nennen wir „Jahr“. Leider vertragen sich beide Zyklen nicht, denn 12 Mondmonate sind nur 354 Tage – es fehlen also mehr als 11 Tage zum Sonnenjahr!
Darum verwenden die meisten Kalender nur eines der beiden Systeme. Der Kalender der Moslems basiert z. B. auf dem Mondzyklus und ignoriert den Sonnenzyklus. Und der gregorianische Kalender (der „säkulare“ Kalender, der heute fast überall benutzt wird) kümmert sich nicht um den Mondzyklus. Doch in der ersten Mizwa, die G–tt dem Volk Israel auferlegte, befahl er Mosche, den jüdischen Kalender auf die Mondphasen zu gründen und ihn gleichzeitig dem Sonnenjahr anzupassen. Der einzige Weg, diese beiden unterschiedlichen Zyklen miteinander zu vereinbaren (ohne einen von ihnen zu verletzen), war ein neunzehnjähriger Zyklus, der sechs verschiedene Arten von Jahren einschließt. Das jüdische Jahr hat entweder 12 oder 13 Monate und kann 353, 354, 355, 383, 384 oder 385 Tage haben.
Im dritten Jahr des 19-Jahres-Zyklus (inzwischen liegt das Mondjahr 33 Tage hinter dem Sonnenjahr zurück) wird ein zusätzlicher Monat eingeschoben, der die Lücke fast, aber nicht ganz schließt. Im sechsten Jahr wiederholt sich das. Im achten Jahr verschafft der dreizehnte Monat dem Mondjahr sogar ein paar Tage Vorsprung – aber nicht lange, denn bald liegt er wieder zurück. Erst am Ende des neunzehnten Jahres gehen beide Zyklen ineinander über.
Warum so kompliziert? Weil das jüdische Leben von der Entschlossenheit geprägt ist, diese beiden unterschiedlichen Gatten zu verheiraten.
Die jüdische Zeit ist im Wesentlichen lunar, also mit dem Mondzyklus verbunden. Wie der Mond erleben wir Zeiten des Niedergangs und sogar der völligen Dunkelheit. Aber dann wachsen wir erneut zu strahlender Fülle heran. Wir leben mit dem Mond, weil wir die typischen Eigenschaften der Mondenergie nutzen wollen: Mut, Kreativität, Erneuerung und Wiedergeburt.
Doch wir wollen auch die Sicherheit und Kontinuität der Sonne in unser Leben aufnehmen. Das Leben muss kreativ sein, aber auch in der unbestreitbaren Wahrheit gründen. Das Leben ist ständige Erneuerung, aber auch Treue und Beständigkeit.
Es ist nicht leicht, beide Zeitströme miteinander in Einklang zu bringen. Am einfachsten wäre eine „Scheidung“; dann könnten wir einem einzigen Weg folgen. Aber Juden sind dafür berüchtigt, dass sie einfache Lösungen ablehnen!
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