Die Thora, als ewig geltender Wegweiser für die Menschheit, ist auch in ihren geschichtlichen Abhandlungen Träger aktueller Botschaften. All die Ereignisse des jüdischen Volkes und seiner Erzväter gehören keinesfalls zu den historischen Geschichten der antiken Welt, auch wenn sie gern gelesen werden. Da doch die Thora das Wort G-ttes an den Menschen ist und sie ihn in jedem Detail zurechtweist, besteht auch der Sinn der historischen Abhandlungen in ihr darin den Juden in seinem Wandeln zu führen. Das gilt vor allem für die Lebensgeschichte unserer Erzväter und Erzmütter, da „die Väter Vorbild der Kinder sind“, und im Besonderen Jakow, der als Erlesenster der Väter gilt.
In unserem Wochenabschnitt erfahren wir von der Auswanderung Jakows aus dem Heiligen Land nach Charan, wo er der Knecht Lawans wird und so seine Familie gründet. 22 Jahre später kehrt er in das Heilige Land zurück.
Auswandern zahlt sich aus
Der Sohar1 macht auf einen interessanten Unterschied zwischen der Auswanderung Jakows und seiner Rückkehr in das Heilige Land aufmerksam.2
Als Jakow bei seiner Reise nach Charan eine G-ttesoffenbarung empfing – und G-tt stand über ihm – heißt es: Und er traf auf einen Ort. Er musste also die G-ttesoffenbarung aufsuchen, und auch als er sie antraf, empfing er sie nur im Traum, nicht in vollem Bewusstsein.
Bei seiner Rückkehr aus Charan aber steht in der Thora geschrieben: Und die Engel G-ttes trafen ihn an. Die Engel und G-tt selbst (wie der Sohar betont) suchten die Nähe Jakows, welcher sie in vollem Bewusstsein empfing.
Auf welches spirituelle Niveau muss wohl Jakow gelangt sein, dass G-tt ihn höchstpersönlich empfing? Eines ist jedenfalls sicher: Dieses Niveau erreichte er durch seine Auswanderung nach Charan.
Grundsteinlegung
Tatsächlich hatten die Wege Jakows nach Charan einen viel höheren, g-ttlichen Sinn, nämlich den Grundstein für das jüdische Volk zu legen. Dieses Ziel konnte Jakow nur in Charan erreichen.
Deshalb symbolisiert die Auswanderung Jakows nach Charan die Galut, bis zur Zerstreuung des jüdischen Volkes über die ganze Welt.
Und so schreibt Rambam: „Die Leiter, die Jakow erblickte, und die Engel, die an ihr aufund abstiegen ... stehen für die Königtümer, unter die das jüdische Volk geraten wird, und seine Unterdrückung durch jene Herrschaften.“3
Die Rückkehr Jakows ins Heilige Land symbolisiert die endgültige Erlösung. Schon von Geburt an liegt es in der Bestimmung des jüdischen Volkes in die Galut zu gehen, um dort eine Mission zu erfüllen. Laut der jüdischen Mystik handelt es sich dabei um „das Wiederentdecken der gefallenen g-ttlichen Funken, die über die ganze Welt verstreut wurden“.
Einfacher erklärt, lernen wir von unserem Erzvater Jakow, dass der Jude seinen bequemen, „mit Jüdischkeit erfüllten“ Ort zu verlassen hat, und sogar die vier Wände des Lehrhauses (wie Jakow es tat, da er bei Schem, Noachs Sohn, sich nur dem Thorastudium widmete), um nach „Charan“ zu ziehen, d.h. die „jüdische“ Auseinandersetzung mit der Außenwelt, mit seinem Nächsten, zu suchen.
Es gibt Menschen, welche sich Jakows Mission zur Lebensaufgabe machen. Aber jeder sollte sich zumindest hin und wieder Jakow zum Vorbild nehmen, indem er beispielsweise seinem „Nachbarn“ einen Besuch abstattet mit einer Einladung zum Schiur oder zum Legen von Tefillin usw. Schließlich ist er hier auf g-ttlicher Mission.
Der Weg zum Erfolg
Die „Auswanderung in die Welt“ versichert dem Juden nicht nur, dass er sie heil übersteht, sondern sogar etwas viel Feineres: und der Mann breitete sich gar sehr aus (wie es in der Thora über Jakow weiter heißt) – er hat Erfolg auf der ganzen Linie, und auch seiner Umgebung bringt er Wohl, so dass er bei Ende seiner Mission, der Rückkehr ins „Heilige Land“ (der vollkommenen Erlösung), von einer ganz besonderen Herrschaft begrüßt wird, von G-tt und Seinen Himmelsheerscharen, welche ihn schon zu segnen suchen – und die Engel G-ttes trafen ihn an!
(Likutej Sichot, Band 1, Seite 34)
Diskutieren Sie mit