Ein allseits bekannter Passuk aus Paraschat Waetchanan lautet: "Wesot HaTora Ascher Sam Mosche Lifenei Benei Israel" - "und dies ist die Lehre, die Moses den Kindern Israel vorgelegt hat" [Dwarim 4, 44]. In den unmittelbar davor gelesenen Versen [Dwarim 4, 41-43] lernen wir, dass Moses drei Zufluchtsorte östlich des Jordan auserwählt hat. Ist etwa ein Zusammenhang zwischen dem oben genannten Vers und den drei Zufluchtsorten zu erkennen?

Viele Menschen zögern etwas anzufangen, wenn sie davon ausgehen, die begonnene Sache nicht auch selber zu Ende bringen zu können. Unsere Weisen s.A. lehren uns jedoch, eine Mizwa, die in unseren Händen liegt (al tachmitzena), nicht zu übergehen und diese nicht versauern zu lassen, indem wir sie auf später verschieben. Somit werden wir angehalten, soviel zu tun, wozu wir gerade im Augenblick im Stande sind, auch wenn wir eine angefangene Sache dabei nicht vollständig erledigen können (siehe Raschi zu Schmot 12, 17). Zum Beispiel hat König David gewusst, dass er den Tempel in Jerusalem nicht selber bauen würde, dennoch hat er reichlich Gold und Silber für den Bau des Tempels angesammelt, damit der Bau eines Tages seinem Sohn möglich sein sollte (siehe Diwrei Hajamim 1, 22).

Zu den drei Zufluchtsorten, die Moses jenseits des Jordan auserwählte, sollten noch drei weitere nach dem Einzug in das heilige Land hinzukommen. Da die drei Städte in Transjordanien nur gemeinsam mit jenen drei in Erez Israel als Zufluchtsorte fungieren konnten (siehe Traktat Makkot 10a), ließe sich vermuten, dass Moses in Hinblick auf die ersten drei Zufluchtsorte außerhalb Israels hätte abwarten können - so dass diese schließlich gemeinsam (d.h. zeitgleich) mit denen in Erez Israel errichtet worden wären. Moses führte aber die Mizwa soweit aus, wie er es vermochte, auch wenn er die Aufgabe nicht selber vollständig erledigen konnte (siehe Raschi zu Dwarim 4, 41).

Die Tora sagt uns: "Und dies die Lehre, die Moses den Kindern Israel vorgelegt hat" [Dwarim 4, 44]. Mit der Tat, die drei Zufluchtsorte außerhalb Israels auszuwählen, noch bevor sie ihren Zweck erfüllen konnten, erteilt uns Moses eine grundsätzliche Lektion in Bezug auf Tora und Mizwot: Strebe stets nach Mizwot und guten Taten, auch wenn Du sie nicht vollständig erfüllen und nicht den vollen Lohn dafür erwarten kannst!

Ein weiter Zusammenhang: Als das jüdische Volk in Erez Israel weilte, dienten die Zufluchtsstätten als Orte der Sicherheit für all diejenigen, die ohne Absicht den Tod eines anderen Menschen verursacht haben. Und selbst derjenige, der einen anderen Menschen absichtlich getötet hat, fand in diesen Orten solange Zuflucht und Schutz (vor Lynchjustiz), bis er vor ein ordentliches Gericht gestellt wurde und sich für seine Tat zu verantworten hatte (siehe Traktat Makkot 9b).

Als das jüdische Volk ins Exil ging, hatte es diese Zufluchtsorte nicht mehr. Unsere Weisen s.A. lehren uns jedoch (Traktat Makkot 10a): "Diwrei Tora Koltin" - "das Studium der Tora gewährt Zuflucht." Hieraus können wir folgern: Jemand, der absichtlich oder unabsichtlich die Grenzen der Tora überschreitet und gegen den Willen G-ttes verstößt - und somit seiner eigenen Seele Schaden zufügt - kann Heilung und Zuflucht finden, indem er sich in das Studium der Tora begibt.

Indem die Tora die drei von Moses auserwählten Zufluchtsorte neben den Passuk "Wesot HaTora Ascher Sam Mosche Lifenei Benei Israel" stellt, weist sie darauf hin, dass ein aufrichtiges Tora-Studium Zuflucht vor dem spirituellen Schaden, den Missetaten verursachen, bietet.

(Basierend auf den Lehren des Lubawitscher Rebben)