Was ist die Tora? Ein Gesetzbuch? Und wenn ja, was für Gesetze sind in ihr enthalten? Einfach nur die Gesetze eines allwissenden und allmächtigen G-ttes, die an uns begrenzte Menschenwesen gerichtet sind?

Ja - aber auf einer höheren Ebene sind sie weit mehr als nur dies, was wir gerade anhand der zwei Bedeutungen des Begriffes Zaw, nach dem diese Parascha benannt ist, erkennen können. Zaw bedeutet einerseits "befehlen" - und drückt an dieser Stelle den Befehl G-ttes aus, Brandopfer auf dem Altar darzubringen, was unsere Weisen s. A. als einen Hinweis auf das Konzept von Zedaka verstehen. Des Weiteren bedeutet Zaw "verbinden" - und bringt somit ebenfalls die Idee zum Ausdruck, dass die Gesetze der Tora eine Verbindung zwischen G-tt und Menschen herstellen.

Von der jüdischen Mystik lernen wir, dass diese Verbindung jedoch nicht als Gratisgeschenk verstanden werden kann. G-tt ist ewig, jenseits aller denkbaren Grenzen und Definitionen. Im Vergleich zu G-tt, erscheint selbst das gesamte Universum so unbedeutend und klein, wie ein Staubkörnchen - sprichwörtlich wie ein Nichts. Doch wenn selbst die unvorstellbaren Dimensionen des Kosmos im Vergleich zu G-tt ein Nichts sind, wie unbedeutend ist dann erst ein winziges und zerbrechliches Menschenwesen?

Dennoch gibt G-tt die Gesetze seiner Tora genau diesen zerbrechlichen Menschenwesen. Die Tatsache, dass G-tt dem Menschen ein Gesetz gibt, verleiht der menschlichen Existenz somit eine absolute Bedeutung. Der Mensch ist durch dieses Gesetz direkt mit G-tt verbunden, beziehungsweise an G-tt gebunden.

Der Lubawitscher Rebbe betont diesbezüglich, dass jene Verbindung selbst dann besteht, wenn der Mensch das Gesetz im Augenblick gerade nicht erfüllt. Oder wie unsere Weisen s. A. es ausdrücken: "Obgleich er abweicht, bleibt er dennoch Jude." Der Umstand, dass die 613 Gesetze der Tora sich an Individuen richten, verleiht jedem einzelnen von uns eine signifikante Rolle und Bedeutung. Natürlich werden wir dieser Rolle nur wirklich dann gerecht, wenn wir die Gesetze der Tora auch einhalten. Und dennoch hat selbst jenes Individuum, welches die Gesetze (bislang) nicht beachtet, seine persönliche Rolle im System der G-ttlichen Schöpfung noch nicht verloren - es hat eine entsprechende Verbindung, wenn bisher auch nur im negativen Sinn.

Der nächste logische Schritt ist natürlich der, die bisher negative in eine positive Verbindung zu verwandeln. Und tatsächlich können wir dies insbesondere mit Hilfe des Gebots von Zedaka bewerkstelligen, indem wir Menschen etwas von uns abgeben. Doch hierzu bedarf es einer grundsätzlichen Ermutigung. Unsere Weisen s. A. lehren uns an dieser Stelle, dass wir jene Ermutigung durch das "Zaw" in dieser Parascha erhalten. Und die Ermutigung liegt eben in der Gewissheit, dass wir insbesondere durch das Gebot von Zedaka wahrhaft und direkt mit G-tt verbunden sind.

(Basierend auf den Lehren des Lubawitscher Rebben)