Die dieswöchige Parascha Bo enthält insgesamt zwanzig Mizwot, wovon die meisten den Auszug aus Ägypten betreffen. Die erstgenannte Mizwa in diesem Wochenabschnitt betrifft jedoch eine viel allgemeinere Angelegenheit, nämlich die Festlegung des Neumondes. Zugleich ist dies die erste Mizwa der Tora, die sich an die gesamte Gemeinde Israels und nicht nur an das jüdische Individuum richtet. Warum eigentlich?

Die Tora wurde uns zu dem primären Zweck gegeben, Heiligkeit in diese Welt zu bringen. Und mit jeder Mizwa erfüllen wir dabei genau diesen Zweck, indem wir nämlich einen bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit mit Heiligkeit erfüllen - und zwar exakt den Ort sowie den Moment, an dem jene Mizwa ausgeführt wird.

Eine Mizwa erfüllt somit zwei von uns Menschen wahrnehmbare Dimensionen: Raum und Zeit, wobei die meisten Mizwot sogar auf einen bestimmten räumlichen und zeitlichen Rahmen begrenzt, bzw. auf diesen festgelegt sind.

Das Gebot zur Bestimmung des Neumondes ist dabei eine Mizwa, welche die Heiligung der Zeit an und für sich betrifft, denn jeder Moment in unserem Lebenszyklus hängt von dem exakten Zeitpunkt ab, an dem ein neuer Monat beginnt.

Zeit ist eine viel allgemeinere und grundlegendere Dimension als Raum. Wir können dies bereits daraus ersehen, daß

  • Zeit noch vor Raum erschaffen wurde, und
  • Raum nicht außerhalb von Zeit existieren kann [siehe Hemschech Ajin Bet, Band 1, S. 339].

Daraus können wir wiederum schlußfolgern, daß eine elementare Grundlage für die Erfüllung von Mizwot die genaue Bestimmung von Zeit, daß heißt die Festlegung des Neumondes, ist. Dies ist auch ein Grund dafür, weswegen die Bestimmung des Neumondes die erste Mizwa der Tora ist, die sich an die Gemeinschaft Israels richtet.

Von Raschi lernen wir weiterhin, daß als G-tt die Welt erschuf, die zwei Himmelsleuchten - Sonne und Mond - gleich stark waren. Der Mond beklagte sich jedoch, daß es für zwei Könige nicht angemessen sei, dieselbe Krone miteinander zu teilen. Als Reaktion hierauf nahm G-tt dem Mond von dessen Stärke etwas ab [siehe Raschi zu Bereschit 1, 16]. Im messianischen Zeitalter jedoch wird der Mond wieder seine ursprünglichen Stärke zurückerhalten [siehe Jesaia 30, 26].

Die einzigartige Eigenschaft des Mondes ist es, daß er bis zur Monatsmitte kontinuierlich zunimmt, sowie daraufhin in gleicher Weise wieder abnimmt, bis er am Ende eines Monats nicht mehr sichtbar ist. Doch schließlich taucht er wieder auf und der ganze Zyklus beginnt von neuem.

Auch die Geschichte des Jüdischen Volkes wird indes mit den Phasen des Mondes verglichen: Unsere gesamte Geschichte hindurch durchlebten wir immer wieder abwechselnd auf- und absteigende Schicksalsphasen. So wurden wir bereits in vielen Ländern der Erde verfolgt und aus ihnen vertrieben, doch als wir uns schon als vollkommen verloren glaubten, erwachte irgendwo anders eine florierende jüdische Gemeinde zu neuem Leben. Und so wie der Mond, wird auch das Jüdische Volk nie ganz verschwinden. Und letztendlich, mit der Ankunft unseres Erlösers, wird das Jüdische Volk sogar das meist respektierte Volk in der ganzen Welt sein. Diese grundlegende Eigenschaft des Volkes Israel spiegelt sich so denn auch in der ersten Mizwa, die es als Gemeinschaft erhält, wider.

(Basierend auf den Lehren des Lubawitscher Rebben; u.a. Likute Sichot, Band 26)