Die Kritiker von Pinchas aus den Reihen der Stämme Israels scheinen überzeugende Belege dafür gehabt zu haben, daß Pinchas Motive für seine heroische Tat nicht ganz astrein waren (siehe hierzu Raschi) - allerdings lagen sie damit vollkommen falsch. Dies ist uns eine wichtige Lehre für den Fall, daß wir bei einer guten Tat eines anderen Menschen, dessen Motive in Frage stellen: Ein Mensch kennt nämlich niemals vollständig die wahren Beweggründe eines anderen, die schließlich nur G-tt alleine bekannt sind. Für seine guten Taten sollte ein Mensch daher niemals verdächtigt oder gar verspottet werden, selbst wenn wir anscheinend handfeste Beweise für dessen Unaufrichtigkeit zu haben glauben. Denn in jedem Fall, selbst wenn an unseren Zweifeln tatsächlich etwas dran sein sollte und die betreffende Person rein eigennützige Motive für sein richtiges Handeln gehabt hat, so lehren uns dennoch unsere Weisen sel. A., daß das Studium der Tora, die Erfüllung von Mizwot sowie das Ausüben guter Taten immer zu erfüllen sind - selbst dann, wenn es aus zweifelhaften Beweggründen geschieht, denn durch eine wiederholt positive Handlungsweise kann ein Mensch letztlich zu reinen und aufrichtigen Motiven geleitet werden (siehe u.a. Traktat Pessachim 50b).

Eine tiefer gehende Frage hierbei lautet: Woher kommt eigentlich die weit verbreitete Versuchung, im positiven Handeln anderer Menschen etwas Schlechtes erkennen zu wollen? Im Fall unserer Parascha scheinen die Kritiker heilige Absichten gehabt zu haben: Sie gaben unter anderem vor, darüber besorgt zu sein, daß Pinchas durch sein eigenmächtiges Handeln die Autorität von Moses untergraben könnte (siehe Torat Menachem). In ähnlicher Weise mag sich auch ein Mensch einbilden, daß ihn seine eigene Demut zur Kritik verleite und er aus Bescheidenheit dem Hochmut anderer ablehnend gegenüber stehe.

In Wahrheit aber ist zumeist genau das Gegenteil der Fall. Die Tatsache, daß jemand gerne die guten Taten anderer kritisiert und in Frage stellt, rührt oft daher, daß der Kritiker selbst hochmütig ist und es schwer ertragen kann, daß jemand anders etwas erreicht hat, was man selber nicht zuwege brachte. Natürlich wird der Kritiker dies nicht zugeben - auch sich selbst gegenüber nicht - denn sein Hochmut macht ihn selbstzufrieden, träge und bequem. Und anzuerkennen, daß jemand anders etwas Positives erreicht hat, macht es demjenigen nur unangenehmer, in seiner Bequemlichkeit zu verharren. Aus dem Grund verleitet den Kritiker sein Hochmut letztlich dazu, das Erreichte anderer Menschen herunterzuspielen, um somit die eigene Selbstzufriedenheit nicht anzukratzen. Schließlich könnte man ja durch das gute Beispiel anderer dazu verleitet werden, selber etwas Positives zustande bringen zu wollen, was letztlich mit Anstrengungen verbunden ist.

Darüber hinaus ist eine mit Hochmut behaftete gute Tat immer noch dem Hochmut eines Kritikers vorzuziehen. Denn letztlich ist derjenige, der sich mit einer Mizwa oder einer guten Tat brüstet und angibt wenigstens ehrlich, was diesen Teil seines Hochmutes angeht, er versucht erst gar nicht diesen zu verbergen. Der Kritiker andererseits kann und will es nicht wahrhaben oder gar zugeben, daß er ebenfalls aus Hochmut handelt und gerät so in eine von Grund auf falsche Haltung. Seinen Hochmut versucht der Kritiker dagegen als echte Demut und Aufrichtigkeit zu bemänteln.

Die Lehre hieraus ist eindeutig: Es ist wesentlich klüger ein Aktivist zu sein als ein Kritiker. Denn bereits eine kleine Prise Hochmut kann Kritik zu etwas Destruktivem als zu etwas Konstruktivem machen. Jedoch eine gute Tat bleibt hingegen eine gute Tat, unabhängig der hinter ihr steckenden Motive.

(Basierend auf Likute Sichot Bd. 8, S. 167-169.)