Im Wochenabschnitt Chukat lesen wir von dem zweiten Angriff Amaleks auf das Volk Israel, bei welchem sich die Amalekiter als Kanaaniter verkleideten, beziehungsweise tarnten.
Doch warum haben sich die Amalekiter bei ihrem zweiten Angriff auf das Jüdische Volk als Kanaaniter verkleidet, während sie noch bei ihrer ersten Attacke (siehe Schmot 17:8, Paraschat Beschalach) ihre Identität nicht zu verbergen versuchten?
Die Chassidische Lehre erklärt hierzu, daß Amalek ein ganz besonders gefährlicher und heimtückischer Gegner des Jüdischen Volkes ist. Da seine der Tora vollkommen entgegengesetzte Haltung oft nur subtil und indirekt in Erscheinung tritt, wird Amalek nicht immer gleich als Gegner der Tora wahrgenommen. 'Amalek' hat aus dem Grund auch dieselbe Gematria (d.h. den gleichen Zahlenwert) wie der hebräische Begriff 'Safek', der soviel wie Zweifel oder Verwirrung bedeutet. Eine Annäherung an die Ideen Amaleks kann daher einer Person zum gefährlichen Fallstrick werden und sie - der Himmel verhüte - völlig von der Tora entfernen.
Mit den zwei in der Tora erwähnten Angriffen auf das Jüdische Volk verfolgt Amalek ein jeweils differenziertes Ziel, was sich entsprechend in den zwei voneinander unterschiedlichen Angriffsstrategien widerspiegelt.
Beim ersten Angriff Amaleks lebte das Jüdische Volk in kultureller Isolation sowie in ungestörter Spiritualität, was unser heutiges Leben in der Synagoge, in Gebetsstuben und Lehrhäusern repräsentiert. Beim zweiten Angriff Amaleks, wie er in dieser Parascha beschrieben wird, hat das Jüdische Volk seine 40jährige spirituelle Abgeschiedenheit in der Wüste beendet und steht kurz vor dem Einzug nach Kanaan, was unser tägliches Leben in der Öffentlichkeit, am Arbeitsplatz sowie im Geschäftsleben repräsentiert.
Der erste Angriff Amaleks erfolgte offen und ungetarnt; seine Taktik beinhaltet einen Frontalangriff auf unser intern-spirituelles Leben, d.h. auf unser Leben in der Synagoge sowie im Lehrhaus. Sein offenes Auftreten verleiht dabei Amalek - durch seine Verwandtschaft zum Jüdischen Volk (als Nachkomme Esaus) - eine gewisse Autorität und Stärke bei dessen Attacke.
Bei dem in dieser Parascha erwähnten Angriff ist es hingegen das Ziel Amaleks, die Tora-Observanz des Jüdischen Volkes in einem allgemeinen, nicht spezifisch jüdischen Umfeld zu untergraben. Daher ist dieser Angriff auch als 'kanaanitisch' getarnt, wodurch Amalek uns sinngemäß zu verstehen geben will: "In euren internen Angelegenheiten, in euren Synagogen und Gebetsstuben, lasst euch nicht stören - aber hier draußen im Geschäftsleben unter uns Nichtjuden müsst ihr euch uns anpassen - vergesst also eure kategorische Ablehnung von schlechter Nachrede, unlauterem Wettbewerb oder Vorteilsnahme, hier müsst ihr wie Kanaaniter handeln."
In Wahrheit enthält aber eine solche Botschaft nichts anderes als die tief verwurzelte Boshaftigkeit Amalkes. Denn Jüdischkeit und Tora-Werte sind gerade eben nicht auf das intern-jüdische Leben in der Synagoge beschränkt - es ist genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, ein ethisch-moralischer Tora-Jude 'draußen' im Geschäftsleben zu sein - und zwar voller Selbstbewußtsein. Nur so können wir die ganze Welt und nicht nur die Synagoge zu einem Ort von G-ttlichkeit erheben.
(Basierend auf Likute Sichot, Bd. 1.)
Diskutieren Sie mit