Das Verbot in Ägypten zu leben wird in der Tora dreimal erwähnt. Zum ersten Mal finden wir es in Exodus.1 Vor der Spaltung des Meeres sagte Moses dem Volk: "Keine Angst! Steht gerade und seht G-ttes Erlösung, dass Er heute für euch [die Ägypter] vernichten wird, denn so wie ihr die Ägypter heute gesehen habt, werdet ihr sie nicht wiedersehen, und zwar für immer."

Das interpretieren die Kommentatoren2 als ein Verbot nach Ägypten zurückzukehren und nicht nur als eine Prophezeiung, dass wir die Ägypter nie wiedersehen werden.

Beim zweiten Mal finden wir dieses Verbot in Deuteronomium. Eines der Verbote, die einem König auferlegt werden, ist das Verbot, übermäßig viel Pferde zu kaufen,3 "damit er sein Volk nicht nach Ägypten zurückbringen wird, um viele Pferde zu kaufen, denn G-tt hat dir gesagt: 'Du sollst nie wieder auf diesen Weg zurückgehen."

Gegen Ende des Buches Deuteronomium, gibt uns die Tora eine ganze Liste von schrecklichen Flüchen, die das jüdische Volk bedrohen, falls es G-ttes Anweisungen nicht angemessen befolgt. Der letzte Vers der Flüche sagt4: "Und G-tt wird dich auf Schiffen nach Ägypten zurückbringen, auf demselben Weg, von dem Er dir gesagt hat: "du wirst ihn nie wieder sehen ..."

Die Gründe

Verschiedene Gründe werden für dieses Verbot angegeben:

  1. Die Ägypter waren skrupellos, wie es der Vers sagt5: "du sollst dir die Praktiken, die in Ägypten, wo du gewohnt hast, ausgeübt werden, nicht aneignen". Dort zu leben riskiert, dass Juden auf negative Weise beeinflusst werden.6
  2. Nach Ägypten zurückzukehren könnte als Angriff auf G-ttes Taten interpretiert werden, nachdem Er uns doch von der Sklaverei befreit und uns herausgeführt hat.7
  3. Der Arisal erklärt, wo auch immer ein Jude lebt, ist es seine Aufgabe, die Heiligkeit, die in jenem Ort verborgen ist, herauszufinden und sie hervorzuheben. Als die Juden jedoch Ägypten verließen, haben sie alle Heiligkeit mitgenommen. Der Talmud8 erklärt, "sie machten es zu einer Vogelfalle, die kein Korn enthält, und zu den Tiefen des Meeres, in denen es keine Fische gibt." Daher wird es als sinnlos betrachtet, dass ein Jude in Ägypten leben soll, da er dort gar keine Heiligkeit erheben kann.9

Die Konsequenzen

Der Jeruschalmische Talmud10 erzählt, dass die Juden diese Versen dreimal ignoriert haben, was jedes Mal verheerende Konsequenzen nach sich zog.

Beim ersten Mal wendeten sich die Juden des nördlichen Reiches Israels unter der Führung von König Hosea ben Elah an die Ägypter und baten sie um Hilfe im Krieg gegen die Assyrer. Dabei handelten sie gegen die Warnungen des Propheten Isaja:11 "Wehe denen, die nach Ägypten gehen, um von ihnen Hilfe zu bekommen, und die auf Pferde und Wagen zählen, die zahlreich sind und Ritter, die stark sind und sich nicht auf den Heiligen Israels verlassen, und G-tt nicht suchen... Nun sind die Ägypter Menschen und keine G-tter und ihre Pferde sind Fleisch und Blut und keine Geister und G-tt soll seine Hand umdrehen und der Helfer soll stolpern und derjenige, dem er hilft, soll fallen und zusammen sollen sie alle zugrunde gehen."

Als Schalmaneser, der König von Assyrien, herausfand, dass die Juden Ägypten um Hilfe ersucht hatten, betrachtete er das als ein Zeichen des rebellischen Aufstandes, überfiel das nördliche Königreich, besetzte das Land und verbannte die zehn Stämme in ferne Länder. Seitdem sind diese zehn Stämme für immer verschwunden.

Das zweite Mal war nach der Zerstörung des Ersten Tempels, als Jeremia die Juden davor warnte, nach Ägypten zu gehen. Leider haben die Juden unter der Führung von Jochanan Ben Kare'ach nicht auf ihn gehört und gingen nach Ägypten, wo sie ein tragisches Ende erwartete. In den Worten Jeremias (42:15-16): "Und jetzt, aus diesem Grund, gehorcht dem Wort G-ttes, Überreste von Juda, sagt der Herr der Heerscharen, der G-tt Israels: Wenn ihr nach Ägypten schaut und dort wohnt, wird das Schwert, das ihr fürchtet euch einholen, dort im Land Ägypten, und die Hungersnot, über die ihr besorgt seid, wird über euch hereinbrechen, dort, in Ägypten, und dort werdet ihr euer Ende finden ..."

Und das dritte Mal war nach der Zerstörung des Zweiten Tempels, als viele Juden in Ägypten Zuflucht suchten. Fünfzig Jahre später zerstörte der römische Kaiser Trajan dort die gesamte Gemeinde.

Wie erklärt sich dann die historische, jüdische Präsenz in Ägypten?

Trotzdem, trotz diesem Vers und all den Tragödien, die oben beschrieben wurden, zeigt sich, dass sich viele G-ttes-fürchtige jüdische Gemeinden in Ägypten ansiedelten, und viele Führer des jüdischen Volkes dort lebten. Um einige von ihnen zu nennen: Maimonides, der Radvas (Rabbi Dovid Ben Simra, 1459-1589), Rabbi Betsalel Aschkenasi (Verfasser der Schita Mekubetzet und Lehrer des Arisal) und der Arisal (in seiner Jugend).

Verschieden Erklärungen dafür sind:

  1. Das Verbot bezieht sich nur auf die Rückkehr nach Ägypten, von Israel kommend, denn damit würde der Weg des Ausgangs aus Ägypten verdreht werden, was als Verstoß gegen den zweiten Grund für dieses Verbot interpretiert werden könnte (siehe oben).12
  2. In dieser Hinsicht sagen einige, dass es nur verboten ist, über dieselbe Strecke der 42 Zeltlager zurückzukehren, der die Juden in der Wüste folgten.13
  3. Einige sagen, dass dieses Verbot nur damals galt, als die Ägypten besonders unmoralisch waren, es sich dabei jedoch nicht um ein immerwährendes Verbot handelt.14
  4. Auf ähnliche Weise sagen einige, dass die meisten gebürtigen Ägypter von Sancheriv exiliert wurden, - also dieses Verbot keine Anwendung mehr findet.15
  5. Einige sagen, dass dieses Verbot nur damals galt, als die meisten Juden im Heiligen Land lebten, und nicht nach der Zerstörung der Tempel und der daraus folgenden Exile.16
  6. Der Radvas17 sagt, dass das eigentliche Tora-Verbot nur dann verletzt wird, wenn jemand nach Ägypten zieht, mit der Absicht, dort zu leben. Doch ist es für eine zeitlich beschränkte Zuflucht oder aus Geschäftsgründen erlaubt, dort hinzuziehen. Wenn sich jemand bereits in Ägypten befindet, und entscheidet, dort zu bleiben, ist das zwar immer noch verboten, doch nicht so streng, da keine physisch Aktion darin eingeschlossen ist. Daher, falls die wirtschaftliche Situation in anderen Ländern sehr schwer ist, oder die Juden in anderen Ländern verfolgt werden, ist es für diejenigen, die sich bereits in Ägypten befinden, erlaubt, dort zu bleiben.

Trotzdem gibt es die Überlieferung,18 dass Maimonides seine Briefe unterschrieb mit den Worten: Er sei jemand, der "täglich gegen drei Gebote verstößt" (siehe oben). Doch könnte es sich hier auch lediglich um Bescheidenheit seinerseits handeln, ohne sagen zu wollen, dass es eigentlich verboten ist.

Die Einzelheiten

  • Das ganze Land Ägypten ist in dieses Verbot eingeschlossen.19
  • Es ist erlaubt, aus Geschäftsgründen hinzugehen oder es auf dem Weg zu einem anderen Land zu durchqueren. Es ist nur verboten, sich in Ägypten niederzulassen.20
  • Auf ähnliche Weise ist es erlaubt, für kulturelle Besichtigungen oder irgendeine andere zeitlich beschränkte Tour nach Ägypten zu reisen.21
  • Falls Ägypten durch einen jüdischen König unter Anweisung eines Sanhedrin erobert werden sollte, wäre dieses Verbot aufgehoben. Denn von jenem Augenblick an, würde es zu einem Teil Israels werden.22