Das zwanzigste Kapitel des Buches Deuteronomium enthält viele Gesetze betreffend Kriegsführung. Eines dieser Gesetze befasst sich mit der Frage, ob wir einen Obstbaum abholzen dürfen:
"Wenn du eine Stadt viele Tage belagerst, um Krieg zu führen gegen sie und sie einzunehmen, sollst du ihre Bäume nicht zerstören, indem du mit einer Axt auf sie einschlägst. Du darfst von ihnen essen, doch sollst du sie nicht abholzen. Ist denn der Baum im Feld ein Mann, der in deine Kriegsgefangenschaft gehen soll? Jedoch einen Baum, von dem du weißt, dass wir nicht von ihm essen können, darfst du zerstören und abholzen und du sollst Bollwerke gegen die Stadt bauen, die gegen dich Krieg führt, bis sie besiegt ist."1
Unsere Weisen interpretieren diese Verse so, dass wenn es für die Kriegsvorbereitungen nicht unbedingt nötig ist, einen Obstbaum zu fällen, wie z.B. wenn es auch möglich ist, das Bollwerk mit dem Holz eines Baumes, der kein Obst trägt, zu errichten, dann würden wir die Obstbäume nur deshalb zerstören, um den Feind zu beängstigen und sich an ihm zu rächen. Aber dafür ist der Baum zu schade.2
Jedoch in Fällen, wo das Abholzen des Obstbaumes für die Kriegsführung entscheidend ist, wie z.B. wenn die anderen Bäume nicht genug Holz produzieren, um das benötigte Kriegsmaterial herzustellen, oder wenn der Feind sich in diesen Obstbäumen versteckt oder sich von den Früchten ernährt und dadurch die Belagerungszeit verlängert werden muss – dann ist es erlaubt, diese zu fällen.3
Unsere Weisen erklären, dass sich das Verbot, Obstbäume zu fällen, nicht nur auf Kriegszeiten beschränkt.4 Bal Taschchit (Verbot der Zerstörung von allem, aus dem jemand Nutzen zieht) umfasst auch nicht nur Obstbäume.
Trotzdem ist das Verbot bezüglich des Fällens von Obstbäumen strenger, als das Verbot der Zerstörung anderer Wertgegenstände.5 Da der Mensch mit einem Obstbaum verglichen wird,6 ist es besonders schädlich für ihn, einen Baum zu zerstören, da diese Tat besonders negative spirituelle Energien freisetzen kann.7 Im Talmud steht, dass Schichvas, der Sohn von Rabbi Chanina, streng dafür bestraft wurde, dass er einen Feigenbaum gefällt hat.8
Dieses Verbot betrifft eigentlich keine Bäume, die kein Obst tragen: Eigentlich wäre es erlaubt, diese zu zerstören, selbst wenn wir daraus keinen Gewinn ziehen.9 Das Verbot von Bal Taschchit verlangt lediglich, diesen Baum nicht auf unwirtschaftliche Weise zu zerstören.10 Ist das Holz verwendbar, soll es sinnvoll eingesetzt und nicht einfach weggeworfen werden.11)
Nähere Einzelheiten
Es ist verboten, einen Obstbaum zu fällen, selbst wenn ...
- er noch jung ist und noch keine Früchte trägt.
- sein Obst von Würmern befallen ist.12
- seine Früchte an und für sich nicht essbar sind, sondern nur verwendet werden können um z.B. ein Getränk herzustellen.13
- der Baum als herrenlos betrachtet werden kann.14
Es ist ebenfalls verboten, die Äste eines Obstbaumes abzuschneiden, es sei denn, es gäbe einen guten Grund, wie z.B. wenn ihr Schatten das Zimmer verdunkelt.15
Es ist erlaubt, einen Obstbaum zu fällen, wenn ...
- er eindeutig zu alt is,t16 um eine Quantität an Obst zu erbringen, wodurch sich der Aufwand für seine Aufrechterhaltung amortisieren würde.17
- das Holz mehr Wert hat als das Obst, das er produziert.18
- er seiner Umgebug (auch benachbarte Bäume) schadet.19
- er beim Bauen im Weg steh.20 Doch selbst in diesem Fall erlauben es einige Autoritäten immer noch nicht, den Baum zu fällen, sondern wir sollen ihn samt seinen Wurzeln ausgraben und woanders wieder so einpflanzen, dass er dort konkret Wurzeln schlagen und weiterbestehen kann.21
Einige sagen, dass wir es selbst in Fällen, wo es eigentlich erlaubt wäre, einen Baum zu fällen, besser vermeiden sollen,22 doch das ist nicht die allgemeingültige Ansicht.23 Wollen wir dieser strengen Auslegung gerecht werden, können wir einen Nichtjuden bitten, die Abholzung für uns auszuführen oder wir verkaufen den Baum an einen Nichtjuden, bevor er gefällt wird.24
Wie können wir das Verbot umgehen?
- Wo das Baumfällen verboten ist, dürfen wir auch keinen Nichtjuden beauftragen, das für uns zu tun.25
- Es ist nicht erlaubt, einen Baum oder ein Stück Land an einen Nichtjuden zu verkaufen, mit ihm das Baumfällen zu vereinbaren, um danach das Land zurückzukaufen.26
- Es ist auch nicht erlaubt, den Baum absichtlich absterben zu lassen, indem z.B. seine Bewässerung vernachlässigt wird.27
Zusammenfassend können wir sagen, dass es verschiedene Meinungen bei diesen speziellen Gesetzen gibt, und wie wir gesehen haben, kann die Nichteinhaltung dieser Gebote schädlich sein. Es ist daher ratsam, sich mit einem kompetenten Rabbiner vor dem Fällen eines Obstbaumes zu beraten.
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