Nach der Beschreibung der mutigen Tat von Pinchas,1 lesen wir von den zusätzlichen Opfergaben, die im Heiligen Tempel an besonderen Tagen dargebracht werden. Diese zusätzlichen Opfer werden Musaf (Hinzufügung in der Einzahl) oder Musafin (Hinzufügung in der Mehrzahl) genannt und werden am Schabbat, Rosch Chodesch, Pessach, Schawuot, Rosch Haschana, Jom Kippur, Sukkot, Simchat Tora, Schmini Azeret und am Chol HaMoed (Tage, die bei Pessach und Sukkot dazwischen liegen) dargebracht.
Zu Beginn der Periode des zweiten Tempels, als die Weisen die täglichen Gebete festlegten, planten sie ein Gebet für jede der täglichen Opfergaben der Gemeinde.2 Sie führten ebenfalls das Musaf-Gebet ein, das an den Tagen, an denen das Musaf-Opfer dargebracht wurde, gesagt werden soll.
Der einzige Segensspruch, der speziell fürs Musaf-Gebet gesagt wird, beinhaltet ein Gebet für den Wiederaufbau des Tempels, wo wir wieder die Möglichkeit haben werden, die besonderen Opfergaben dieses Tages darzubringenMusaf ist ein Amida-Gebet, das mit den üblichen Segen der Amida beginnt und endet. Das sind drei Segen am Beginn und drei Segen am Ende. Eingebettet zwischen diesen Segenssprüchen liegt der einzige Segensspruch, der speziell für das Musaf-Gebet gedacht ist, und dieser beinhaltet ein Gebet für den Wiederaufbau des Tempels, in dem wir wieder die Möglichkeit haben werden, die besonderen Opfergaben dieses Tages und eine Danksagung an G-tt für die besondere Heiligkeit dieses Tages darzubringen.3
In der Wiederholung des vom Kantor gesprochenen Musaf-Gebets ist das Keduscha-Gebet enthalten, das in der Form eines Responsoriums zwischen dem Kantor und der Gemeinde gesagt wird und die Wiederholung der Amida charakterisiert. Am Schabbat und an Feiertagen, enthält die Keduscha des Musaf-Gebets den ersten Vers des "Schma Jisraels" sowie seine letzten drei Wörter "Ani Adonai E-loheichem". Dieser Brauch stammt aus folgender Geschichte:4
Es war einmal ein persischer König mit Namen Jusgadar, der im dritten Jahrhundert n.d.Z. lebte. Er erließ ein Dekret, das es den Juden verbot, das Schema Israel beim Beten zu zitieren. Als Antwort darauf legten die Weisen jener Zeit fest, eine verstohlene Lesung des Schema Israels in die Keduscha des Musaf-Gebets einzufügen, so dass die Kinder es nicht vergessen würden. Zusätzlich beteten sie, dass jenes Dekret möglichst schnell wieder abgeschafft würde.
Ihre Gebete wurden erhört, denn jener König Jusgadar wurde am Mittag darauf von einer Schlange gefressen. Um diesem Wunder zu gedenken, behielten die Weisen das Schma Jisrael in der Keduscha des Musaf-Gebets bei, obwohl es "künstlich" eingefügt worden war, - im Gegensatz zu anderen Gebeten, in denen das Schma Jisrael sowieso enthalten ist.
An Festtagen wie Pessach, Schawuot, Rosch Haschana, Jom Kippur und Sukkot enthält die Wiederholung des Musaf-Gebets selbst außerhalb von Israel den Birkat Hakohanim (Priestersegen)5, - und zwar auch in jenen Gemeinden, in denen jener Segen nicht jeden Tag oder jede Woche gesprochen wird.
Nachstehend finden Sie einige der Gesetze des Musaf-Gebetes.
- Im Idealfall sollte das Musaf-Gebet vor Ende der siebten "jahreszeitlich bedingten Stunde" gebetet werden,6 da auch die Musaf-Opfergaben bis zu jener Stunde dargebracht werden sollten.7 Reicht die Zeit nicht, ist es immer noch bis Sonnenuntergang erlaubt, Musaf zu beten.
- Normalerweise ist die Reihenfolge so, dass zuerst Musaf und danach Mincha (der tägliche Nachmittags-G-ttesdienst) gebetet wird. Das Problem beginnt erst eine halbe Stunde nach dem jahreszeitlich bedingten Mittag, dem frühesten Zeitpunkt, an dem Mincha gebetet werden kann, denn vorher ist es noch gar nicht möglich, Mincha zu beten.
- Zu gewissen Festtagen enthält die Wiederholung des Musaf-Gebets in allen Gemeinden den Priestersegen (Birkat Kohanim)Ist es dann soweit, dass wir Mincha beten könnten, jedoch das Musaf-Gebet ebenfalls auf uns wartet, sollten wir in umgekehrter Reihenfolge vorgehen, gemäß dem Prinzip tadir vesche'eno tadir – tadir kodem (bei zwei Mizwot sollen wir zuerst diejenige tun, die wir regelmäßiger / öfter ausführen). Mincha ist ein tägliches, regelmäßiges Gebet, daher sollten wir es vor Musaf beten. Doch gibt es zwei Situationen, in denen die Reihenfolge umgekehrt ist:
a) Falls wir Mincha Ketana beten, also das Mincha-Gebet bis zur neunten saisonbedingten Stunde aufschieben, und uns vor jenem Zeitpunkt befinden - und das Musaf-Gebet ebenfalls noch nicht gebetet haben.
b) Falls wir uns dem Sonnenuntergang nähern, das Mincha und das Musaf-Gebet noch vor uns haben, jedoch nur eines der beiden Gebete vor Sonnenuntergang beenden können, dann kann das Musaf-Gebet unter keinen Umständen nach Sonnenuntergang gebetet werden, während wir für das Mincha-Gebet im Notfall noch 13,5 Minuten nach Sonnenuntergang haben, um die Amida zu beginnen.
In diesen beiden Fällen sollen wir das Musaf-Gebet am Nachmittag noch vor Mincha beten. Wenn jemand in der Tat in einer Situation ist, wo er sich noch vor der neunten saisonbedingten Stunde befindet, von der an wir Mincha Ketana (was eigentlich das zu bevorzugende Mincha-Gebet sein sollte) beten könnten, und nicht gleich Mincha zu beten brauchen, sollten wir zuerst Musaf beten, ein kleine Pause einlegen, und Mincha später beten. All diese Regeln sind gültig, wenn wir allein beten. Der Minjan betet immer zuerst Musaf – egal wie spät es ist.8 - Haben wir das Musaf-Gebet versäumt und die Nacht hat bereits begonnen, kann dieses Gebet nicht mehr nachgeholt werden,9 - im Gegensatz zu den gewöhnlichen, alltäglichen Gebeten, die unter gewissen Umständen nachgeholt werden können.10
- Wer versehentlich eine gewöhnliche Amida anstelle von Musaf betete, hat seine Pflicht nicht erfüllt und muss nochmals beten.11
- Wer Musaf vor Schacharit (Morgengebet) betet, hat zwar seine Pflicht erfüllt, doch sollte er nicht so handeln.12
- Wer Musaf betet, während der Minjan Schacharit oder Mincha betet, hat seine Mizwa, mit einem Minjan zu beten, nicht erfüllt.13
- Es ist nicht angemessen, unsere eigene Krone zu tragen, während wir G-tt für Seine Krone lobenEs ist verboten, vor Musaf eine volle Mahlzeit einzunehmen, doch ist es erlaubt, eine kleinere Zwischenmahlzeit zu essen. Eine Zwischenmahlzeit ist eine Frucht oder ein anderes nicht-getreidehaltiges Produkt. Es ist auch erlaubt, Getreideprodukte zu essen, solange ihre Quantität weniger als ein Ei (57.6g) beträgt.14 Offensichtlich sollten wir das nicht während der Tora- oder der Haftara-Lesung tun und nicht, wenn wir uns dadurch beim Musaf-Gebet des Minjans verspäten.
- Am Schabbat und an Festtagen muss auch derjenige, der vor Musaf etwas zu sich nimmt, vorher Kiddusch machen.15
- Die Mischna Brura16 sagt jedoch: Hat ein Mann keinen Wein für Kiddusch, oder fühlt er sich sehr schwach, so ist es ihm erlaubt, auch ohne vor Musaf Kiddusch zu hören, einen kleinen Imbiss zu sich zu nehmen.
- Am Rosch Chodesh legen wir vor dem Musaf-Gebet unsere Tefillin wieder ab.17 Das tun wir, weil im Musaf-Gebet eine Keduscha enthalten ist, die mit dem Wort Keter (Krone)18 beginnt. Es ist unangebracht, unsere eigene Krone – die Tefillin – zu tragen, wenn wir G-tt für Seine Krone loben.19
- Die Nusach Aschkenas beten, erwähnen das Wort Keter zwar nicht in der Keduscha, doch nehmen sie ebenfalls ihre Tefillin vor Musaf ab. Der Grund besteht darin, dass das Musaf-Gebet die Heiligkeit von Rosch Chodesch aufruft, die einem Festtag ähnelt. Da wir keine Tefillin an einem Festtag anlegen, legen wir auch keine zum Musafgebet an.20
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