Die Macht des Sprechens ist eines der kostbarsten Geschenke, die G-tt dem Menschen gab. Diese Macht des Sprechens erhebt uns über das Tierreich.1 Dieses Geschenk sollte dazu benutzt werden, Tora zu studieren, G-tt zu loben, zu Ihm zu beten, sowie um den Bedürfnissen unseres irdischen Daseins nachzukommen.

Am besten ist es, wenn wir unsere Worte bezüglich weltlicher Angelegenheiten auf ein Minimum beschränken, aber unser Sprechen maximieren, wenn es sich um heilige Angelegenheiten handelt. Das wird dem biblischen Vers entnommen: "Und du sollst die Worte der Tora deinen Kindern lehren und in ihnen sprechen."2 Unsere Weisen verstehen aus diesen Worten,3 , dass unser Sprechen sich hauptsächlich auf die Tora beziehen soll.

Auf ähnliche Weise sagt der Jeruschalmische Talmud4: "Jedes unnötiges Reden ist schlecht, ausgenommen Tora-Geplapper. Jedes Schweigen ist gut, ausgenommen Schweigen in Tora-Angelegenheiten, wenn es schlecht ist." Auf ähnliche Weise lehrt Rabbi Schimon Ben Gamliel5: "Mein ganzes Leben bin ich zwischen Weisen aufgewachsen, und habe für den Körper nichts Segensreicheres gefunden, als das Schweigen; die Tat ist die Hauptsache, nicht das Sprechen, und wer zu viel spricht, wird Sünde über sich bringen." In den Worten König Salomons: "Selbst der Narr wird als Weiser betrachtet, wenn er schweigt."6

Eine der Strafen für den Missbrauch der Macht des Sprechens, wenn wir z.B. verleumderisch über andere herziehen, ist eine Hautkrankheit, die Zara'at (flüchtig als "Lepra" übersetzt).7 Das lernen wir aus der Geschichte von Miriam,8 die über ihren Bruder Moses etwas Unpassendes sagte und dafür mit Zara'at bestraft wurde.

Ein Mensch, der vom Kohen (Priester) als Mezora erklärt wurde, musste das Lager oder die Stadt verlassen. Dadurch wurde er von der Gesellschaft jener Leute ferngehalten, mit denen er zu klatschen sich angewöhnt hatte. Als Strafe für den von ihm zwischen Eheleuten und Freunden verursachten Konflikt wurde er nun von der Gesellschaft getrennt.9

Selbst der Name des Leprakranken ist ein Zeugnis, für den Ernst seiner Sünde. Das Wort Mezora ist eine Kombination der hebräischen Wörtern Mozeé Ra – "einer, der Schlechtes hervorbringt."10

Nach seiner Heilung durchläuft der Leprakranke einen rituellen Reinigungsprozess. Teil dieses Prozesses sind zwei Vögel, von denen einer zu schächten und der andere zu befreien ist. Das symbolisiert das Schächten des negativen Sprechens (symbolisiert durch den Vogel, der fortwährend zwitschert). Nun muss er sich daran gewöhnen, nur positive Sachen zu sagen (repräsentiert durch den Vogel, der am Leben erhalten wurde.)11 Der Talmud lehrt,12 "Was muss der schlechte Schwätzer tun, um sich zu bessern, - zusätzlich zum guten Vorsatz, sich fortan des Klatsches zu enthalten? Wenn er ein Tora-Gelehrter ist, soll er Tora studieren, wie der Vers sagt: "Heilung für die Zunge ist der Baum des Lebens."13

Der Rest dieses Artikels wird sich auf Anweisungen konzentrieren, wie wir unsere Macht zu Sprechen auf eine positive und heilende Weise gebrauchen können.

Die Auswirkungen des Sprechens

Wir müssen uns der großen Macht unserer Worte bewusst werden; sie können wohltätige oder schädliche Auswirkungen auf die Mitmenschen haben. König Salomon, der Weiseste aller Menschen, hat dieses Thema in seinen Schriften oft betont:

  • "Derjenige, der seinen Mund und seine Zunge hütet, schützt seine Seele vor viel Ärger."14
  • "Die Lippen des Narren werden sich auf einen Streit einlassen und sein Mund schreit nach Prügel."
  • "Der Mund des Narren ist sein Untergang und seine Lippen sind sein eigener Fallstrick."
  • "Die Worte des Nörglers sind wie Schläge, deren Einfluss sich bis ins innerste Wesen auswirkt."15
  • "Mit der Frucht seines Mundes wird der Mensch zufriedengestellt werden, und sein Sprechen wird ihm positive oder negative Resultate bringen."
  • "Leben und Tod sind in der Hand der Zunge, und diejenigen, die es lieben, werden seine Früchte ernten."16
  • "Die Zunge des Weisen steigert Kenntnis, doch der Mund des Narren schüttet Torheit aus."17

Tonfall

König Salomon sagt:

  • "Die Worte des Weisen werden, wenn sie sanft gesprochen werden, mehr als die Schreie des Herrschers der Narren gehört."18
  • "Eile dich nicht, zornig zu werden, weil der Zorn im Schoss der Dummen liegt."19
  • "Eine sanftmütige Antwort erspart den Grimm, doch ein betrübendes Wort bereitet viel Zorn."20
  • Der Talmud21 sagt, "Wenn wir unsere Familienmitglieder daran erinnern, sich angemessen für Schabbat vorzubereiten, sollen wir sanft sprechen, da sonst alle Anweisungen unbeachtet bleiben".
  • Nachmanides, in seinem berühmten Brief an seinen Sohn, empfiehlt ihm: "Sprich immer sehr sanft ... Wirst du gerufen, antworte nicht laut, sondern so leise, als würdest du vor deinem Meister stehen."

Beim Zurechtweisen

  • Müssen wir einen Mitmenschen zurecht weisen, sollten wir das auf liebevolle Weise tun. Diesem Menschen könnten wir z.B. sagen, dass er sehr weise und gelehrt ist. Deshalb wäre es angebracht, sich auch dementsprechend zu verhalten.22
  • Ist die zurechtzuweisende Person sehr empfindlich, ist es besser, ihr die Botschaft auf indirektem Wege zu übermitteln. Es wird gesagt, wie die heiligen Brüder Rabbi Elimelech aus Lizhensk und Rabbi Sushe aus Anipoli dies taten. Sie führten in Hörweite jener Person ein Gespräch. Einer der Brüder legte vor dem anderen ein Geständnis ab und beschrieb genau jene Sünde des Zuhörers. Der andere Bruder gab ihm Anweisungen, wie er Tschuwa tun soll. So erhielt die Person, die dieses Gespräch mit angehört hatte, jenen Ratschlag, den sie auf sich selbst anwenden konnte, ohne dabei in Verlegenheit zu geraten und ohne dem Druck einer direkten Konfrontation ausgesetzt zu sein.

Die Macht des Gelöbnisses

Das Ablegen eines Gelöbnisses kann ein sehr effizientes Hilfsmittel sein, um einer Person zu helfen, sich vor einer Sünde zu beschützen. Die Mischna sagt: "Gelöbnisse sind ein Schutzzaun der Enthaltsamkeit."23 Verstößt jemand gegen ein Gelöbnis, so ist das eine schlimme Sünde,24 mit verheerenden Strafen.25 Aus diesem Grund ist es ratsam, sich möglichst vom Ablegen von Gelöbnissen zurück zu halten. Oder mit den Worten König Salomons:

  • "Wenn du ein Gelöbnis vor G-tt aussprichst, vermeide jeglichen Zahlungsverzug, denn Er hat keine Freude an den Narren; das, was du versprichst, sollst du auch einhalten."
  • "Es ist besser nicht zu geloben, als zu geloben und nicht zu bezahlen."26
  • Indem er diesen Rat befolgt, wird er auch den nächsten Vers erfüllen: "Erlaube deinem Mund nicht, wenn er übermäßig viele Versprechungen macht, dem Fleisch Sünde anzutun und eine Strafe über sich zu bringen."

Vorsicht beim Sprechen

Wir sollen beim Sprechen sehr vorsichtig sein, denn ein gesprochenes Wort kann nie wieder zurückgenommen werden. Selbst wenn wir die Absicht hatten, die Diskussion privat zu halten, wissen wir doch nie, wohin die Worte, die dabei ausgesprochen wurden, gelangen. Oder mit den Worten König Salomons: "Selbst in deinen Gedanken sollst du einen König nicht verwünschen, noch in deinem Schlafzimmer einen reichen Menschen verdammen, denn der Vogel wird diese Stimme in den Himmel tragen und das geflügelte Wesen wird die Sache weitererzählen."27

Der Talmud28 erzählt eine Geschichte, wo diese Lektion das Leben eines großen Tora-Gelehrten rettete. In dieser Geschichte war derjenige, der den Gelehrten zu verleiten versuchte, seinen König zu verfluchen, kein geringerer als der König selbst. Die große Vorsicht des Tora-Gelehrten aber verhinderte seine drohende Hinrichtung.

Positive Mizwot betreffend das Sprechen

Es gibt viele positive Mizwot, die das Sprechen miteinbeziehen. Einige von ihnen sind:

  1. Tora-Studium
  2. Gebet
  3. Segensspruch vor und nach dem Essen
  4. Das Zählen des Omers
  5. Der Segen der Kohanim (Priestersegen)

Negative Mizwot das Sprechen betreffend

Einige der negativen Mizwot beim Sprechen sind:

  1. Sich der üblen Nachrede und Klatsch zu enthalten
  2. Keine Blasphemie durch negative Reden gegen den Allmächtigen
  3. Keine negative Bemerkung gegen Juden
  4. Kein falsches Zeugnis abgeben
  5. Keinen falschen Eid schwören
  6. Keinen schlechten Rat geben

Zeit fürs Tora-Studium

Unsere Weisen lehren uns, dass wir mindestens ein sechstel des Tages (vier Stunden) mit Tora-Studium, Psalmen-Sagen verbringen sollen.29