Die Tora ermahnt uns an zwei Stellen, unsere Arbeiter am selben Tag zu bezahlen, an dem die Arbeit geleistet wurde. In Levitikus1 sagt der Vers: "Du sollst die Bezahlung eines Arbeiters niemals über Nacht bei dir lassen, bis zum nächsten Morgen." In Deuteronomium2 sagt der Vers: "An diesem Tag sollst du ihm seinen Lohn bezahlen, die Sonne soll nicht darüber untergehen, denn er ist ein armer Mensch und sein Leben hängt davon ab..."

Der Talmud erklärt, dass der erste Vers sich auf einen Tagelöhner bezieht, der seine Arbeit noch am selben Tag abschließt. In diesem Fall muss der Arbeitgeber ihn vor dem Sonnenaufgang des nächsten Tages bezahlen. Im zweiten Vers ist von einem Nachtarbeiter die Rede, der seine Arbeit bei Tagesanbruch vollendet, wo der Arbeitgeber bis vor Einbruch der darauffolgenden Nacht Zeit hat, ihn zu bezahlen.3

Falls die Arbeit vor Tagesende vollendet wird, hat der Arbeitgeber nur bis vor Einbruch derselben Nacht Zeit, ihn gemäß der Halacha pünktlich zu bezahlen. Genauso sollte der Arbeitgeber, wenn die Arbeit mitten in der Nacht beendigt wurde, seinen Arbeiter noch vor dem nächsten Morgen bezahlen.4

Eine Mizwa ist am selben Tag zu erfüllen, an dem sich die Gelegenheit dazu bietetDie Tora versteht, dass es oft vorkommt, dass ein Arbeiter seinen Lohn ganz dringend braucht, weil er sich und seine Familie ernähren muss. Wenn wir in diesem Fall seine Bezahlung hinausschieben, kann das viel Kummer bereiten und vielleicht sogar tödliche Folgen haben.5 Dazu kommt noch, dass das Beachten dieser Mizwa uns zu mitfühlenden und liebenswürdigeren Menschen macht. Das wiederum ermöglicht es uns, von G-ttes unendlicher Güte profitieren zu können.6

Eine weitere Erklärung ist das Erfüllen der Mizwot, sobald sich die Gelegenheit dazu bietet. Daher soll auch nicht die Mizwa, einen Arbeiter zu bezahlen, auf den nächsten Tag verschoben werden.7

Die Einzelheiten dieser Mizwa

Diese Mizwa bezieht sich auf alle Angestellten, ob sie nun männlich oder weiblich, erwachsen oder minderjährig,8 reich oder arm, praktizierend oder nicht-praktizierend,9 jüdisch oder nicht-jüdisch10 sind.

Sie bezieht sich auch auf das Bezahlen der Miete eines Gegenstandes oder eines Tieres.11 Einige halachische Autoritäten sagen, dass sich diese Mizwa ebenfalls auf die Miete von Liegenschaften bezieht.12

Diese Mizwa bezieht sich auch auf Arbeiter, deren Gehalt sich nach Jahr, Monat, Tag oder Stunde richtet, wie z.B. bei Vertragsarbeitern. Für einen Arbeiter mit festgelegtem Zahltag gilt diese Verpflichtung genau für jenen Tag.13 Einen Vertragsarbeitnehmer muss der Arbeitgeber an dem Tag bezahlen, an dem er seine Arbeit vollendet.

Verzichtet der Arbeiter auf den pünktlichen Erhalt seiner Bezahlung, sei es ausdrücklich oder stillschweigend, indem er die Bezahlung nicht verlangt, braucht der Arbeitgeber ihn nicht am selben Tag zu bezahlen.14

Falls der Arbeitgeber ihn nicht zur vorschriftsmäßigen Zeit bezahlt hat, weil er entweder nicht dazu verpflichtet war oder für ihn aus vorsätzlichem Verstoß gegen seine Pflicht keine Mizwa durch die Tora besteht, muss er vor dem nächsten Sonnenuntergang bzw. Sonnenaufgang bezahlen. Dennoch riskiert er, falls er das Geld bei sich hat, gegen das Gebot des Propheten15 zu verstoßen: "Sag deinem Nächsten nicht, 'gehe hin und komme wieder, und morgen werde ich dir dein Geld schon geben,' wenn du es bei dir hast."16

Falls der Arbeitgeber es sich nicht leisten kann, alle Arbeiter zu bezahlen, soll er das Wenige unter ihnen aufteilen. Falls ein Arbeiter arm ist, soll der ärmste Arbeitnehmer Vorrang haben.17 Kein Arbeiter darf wegen seiner Verwandtschaft mit dem Arbeitnehmer bevorzugt werden.18

Zum Einhalten der Mizwa soll sich der Arbeitgeber bemühen, vor Sonnenuntergang zu bezahlen. Verpasst er diesen Augenblick, sollte er es vor dem Ausgang der Sterne tun.

Ausnahmen

Falls der Arbeitgeber nicht genug Geld zur Bezahlung all seiner Arbeiter hat, soll er das Vorhandene unter ihnen aufteilen
  • Wenn der Arbeitgeber kein Geld hat, die Arbeiter zu bezahlen, ist er von dieser Mizwa ausgenommen.19 Sobald er wieder zu Geld kommt, muss er es seine Angestellten bezahlen.20
  • Trotzdem wird die Aufnahme eines Kredits als lobenswert angesehen, um diese Mizwa ausführen zu können.21 Tatsächlich borgte sich der Arisal persönlich bei anderen Leuten Geld, um einen Angestellten noch am betreffenden Tag bezahlen zu können. Das führte sogar dazu, dass er das Nachmittagsgebet (Mincha) später beten musste.22
  • Falls der Arbeitsgeber Ware hat, die er ohne großen Verlust verkaufen könnte, sollte er das tun, wenn es ihm dadurch möglich wird, seinen Angestellten pünktlich zu bezahlen.23 Falls der unverzügliche Verkauf seiner Ware einen großen Verlust bedeutet, ist er aber nicht dazu verpflichtet.24
  • Ist jener Arbeitgeber, der den Arbeiter einstellte, nicht der Gleiche, der für seine Bezahlung zuständig ist, und hat er es dem Arbeiter bei seiner Einstellung auch so erklärt, dann ist weder der Arbeitgeber noch die Person, die ihn bezahlt, verpflichtet, dieses Gebot einzuhalten.25 Genauso ist auch der Sohn, der von seinem Vater ein Unternehmen geerbt hat, nicht verpflichtet, die Arbeiter, die der Vater angestellt hat, rechtzeitig zu bezahlen.26 (Selbstverständlich muss der Arbeitgeber in beiden Fällen die Arbeiter so schnell wie möglich bezahlen, doch das Gebot, ausgerechnet vor Einbruch der Dunkelheit zu bezahlen, tritt nicht in Kraft.)
  • Dieses Gesetz betrifft auch den Betriebsleiter eines Unternehmens, selbst wenn er nicht der Besitzer dieses Unternehmens ist27 - es sei denn, er habe die Angestellten von vorn herein darüber informiert, dass er nicht für die Bezahlung verantwortlich ist.
  • Halachische Autoritäten sagen, dass sich diese Mizwa nicht auf Arbeiten bezieht, die am Freitag ausgeführt wurden. Aber besser ist es, die strengere Ansicht zu befolgen, und die Arbeiter, auf die diese Mizwa zutrifft, auch am Freitag zu bezahlen.28

Belohnung und Strafe

Ein Arbeiter investiert die Energie seiner Seele in seine Arbeit. Sein Gehalt symbolisiert diese Energie und wird daher als seine Seele angesehen. Wer ihn pünktlich bezahlt, gibt somit diesem Arbeiter und seiner Familie seine Seele, und wird mit einem langen Leben für sich und seine Familie belohnt. Wer aber nicht pünktlich zahlt, riskiert, dass sein Leben in dieser und der kommenden Welt verkürzt wird, G-tt behüte.29

Durch das Beachten dieser Mizwa verdient sich der Mensch eine zusätzliche "Schabbat-Seele". In der Praxis bekommt er sie nicht nur am Schabbat selbst, sondern auch an den übrigen Wochentagen. Wir finden eine Beziehung zu den Anfangsbuchstaben von "beyomo titen Secharo" (an seinem Tag sollst du ihn bezahlen), die Bet, Tav, Schin bedeuten, – dieselben Buchstaben, aus denen das Wort Schabbat zusammengestellt ist.30