Der folgende Artikel befasst sich mit den Gesetzen und Bräuchen zu Schwangerschaft und Geburt, sowie mit der speziellen Situation einer Frau kurz nach der Entbindung (Wöchnerin).

Bräuche während der Schwangerschaft

  • Während der Schwangerschaft soll eine Frau speziell auf die Einhaltung der Gesetze des Koscher-Essens achten, da sie mit Ihren Nahrungsmitteln auch den sich entwickelnden Embryo ernährt.1
  • Während der ersten drei Schwangerschaftsmonate sollte das zukünftige Elternpaar niemandem von der Schwangerschaft erzählen, auch nicht nahen Verwandten und Freunden.2 Das geschieht teils aus Bescheidenheit, teils zum Schutz des Kindes vor "dem bösen Blick". Diese Einschränkungen gelten nicht gegenüber dem Arzt und anderem Fachpersonal.
  • Ab viertem Monat ist es Brauch, die nahen Verwandten und Freunde über die Schwangerschaft zu informieren. Von diesem Moment an gilt der Zustand nicht mehr als geheim.3
  • Wegen des "bösen Blicks" ist es Brauch, den Einkauf wichtiger Babyartikeln nicht vor der Geburt zu tätigen, - abgesehen von Artikeln, die unverzüglich nach der Geburt des Babys benötigt werden.4
  • Eine schwangere Frau sollte jeden Tag Zedaka (Geldmünzen, die für wohltätige Zwecke bestimmt sind) geben, sowie freitags, am Nachmittag vor jüdischen Feiertagen, vor dem Kerzenzünden.5 Eine Frau, die das bereits regelmäßig tut, sollte eine Extrasumme hinzufügen, die einem Mehrfachen von achtzehn entspricht.6
  • Vor dem Schlafengehen sollte der Ehemann den Psalm 20 sagen und dann den zweiten Vers dieses Psalmes wiederholen.7
  • Während der Schwangerschaft sollte die Mesusot überprüft werden.8
  • Eine werdende Mutter sollte nicht auf unkoschere Tiere und unreine Sachen schauen, da der tief wirkende Eindruck dieses Anblicks sich auf das ungeborene Kind übertragen könnte.9
  • Untersuchungen, die den Embryo gefährden, wie z.B. die vielfach unnötige Fruchtwasseruntersuchung, sind zu vermeiden.10

Das Fasten während der Schwangerschaft

Eine schwangere Frau sollte darauf achten, jeden Tag Zedaka zu geben
  • Wenn eine Frau schwanger ist, ist sie nicht verpflichtet an den offiziellen Fastentagen zu fasten, außer an Tischa beAw und Jom Kippur11, und selbst dann nur nach ärztlicher Absprache.
  • Am 9. Av sollte eine schwangere Frau versuchen, beim Fasten mitzuhalten. Falls ihr Arzt Bedenken hat, dass dadurch ihre Gesundheit oder die Gesundheit des Embryos gefährdet wird, sollte sie nicht fasten. Falls sie sich im Verlauf des Fastens nicht gut fühlt, oder den Eindruck bekommt, dass sie dringend Essen muss, darf sie das tun.12 Trotzdem wäre es ratsam, sich in dieser Beziehung mit einem Rabbiner zu beraten.
  • Daher sollte eine werdende Mutter das Fasten vorJYom Kippur mit ihrem Arzt und ihrem Rabbiner besprechen. Falls es für sie notwendig ist oder wird, am Jom Kippur zu essen, sollte sie das in streng vorgegebenen kleinen Portionen tun und in streng vorgegebenen Intervallen. Genauer ausgedrückt, sollte sie weniger als eine Unze feste Nahrung und weniger als einen Mundvoll Flüssigkeit zu sich nehmen, neun Minuten warten, und falls nötig wiederholen. Auf diese Weise erfüllt sie immer noch ihre von der Tora auferlegte Pflicht zu fasten.13

Künstliches Verursachen von Geburtswehen

Die Tora sagt, dass G-tt am besten weiß, wann es für ein Baby die richtige Zeit, auf die Welt zu kommen, ist. Daher sollten wir nicht unnötig eingreifen und Geburtswehen künstlich hervorrufen.14 Da Gebären eine potentielle Lebensgefahr bedeutet, sollte sie nicht früher als notwendig beginnen. Wenn der Geburtstermin bereits überfällig und das Leben des Babys in Gefahr ist, darf die Geburt beschleunigt werden, - selbstverständlich nur auf Empfehlung des Arztes. Auch ist es immer hilfreich, sich mit dem Rabbiner zu beraten.

Gebären am Schabbat

Da Geburtswehen und Geburt als lebensgefährdende Situationen betrachtet werden, sind wir verpflichtet, auch gegen die Schabbatgesetze zu verstoßen, um einen gesunden Geburtsvorgang zu sichern. Trotzdem ist das Verstoßen gegen die Schabbatgesetze auf ein Minimum zu beschränken, da es sich bei der Geburt um ein natürliches Phänomen handelt, das sich im Normalfall auch ohne all zuviel Hilfe von außen ereignet.15 Dazu nur wenige Beispiele:

  • Es ist erlaubt, die Frau am Schabbat ins Krankenhaus zu fahren, wenn sie fühlt, dass die Geburt bevorsteht.16
  • Es ist besser, einen nicht-jüdischen Fahrer zu organisieren, z.B. ein Taxi.
  • Es ist wünschenswert, einen Umschlag mit einer ausreichenden Geldsumme beiseite zu legen, um den Taxifahrer zu bezahlen, oder dem Fahrer zu zeigen, wo sich der Umschlag befindet, so dass er den Umschlag selbst nehmen kann.17
  • Wenn es die werdende Mutter beruhigt, ist es erlaubt, dass der Ehemann, andere Verwandte oder Freundin im Taxi oder Krankenwagen mitfahren und sie ins Krankenhaus begleiten.18
  • Es wäre besser, einen Nichtjuden darum zu bitten, die Türen des Autos zu öffnen oder zu schließen, - oder sonst die Türen eben auf herkömmliche Weise zu öffnen oder zu schließen.19
  • Bewegen wir uns bei der Fahrt ins Krankenhaus nicht innerhalb des Eruvs, sollte nur das absolut Notwendigste mitgenommen werden.20
  • Bei Ankunft im Krankenhaus sollten wir möglichst nichts unterschreiben. Bleibt keine andere Wahl, sollte es mit der linken Hand geschehen.21

Während den Geburtswehen

  • Falls noch genügend Zeit bleibt, sollte der Ehemann während der Geburtswehen und der Geburt folgende Psalmen lesen, vorzugsweise auf Hebräisch: 1, 2, 3, 4, 20, 21, 23, 24, 33, 47, 72, 86, 90, 91, 92, 93, 104, 112, und durchgehend von 113 bis 150.22

Der Nidda Status

Nachdem die Frau auf natürliche Weise ein Baby auf die Welt gebracht hat, verändert sich ihr Status zu Nidda. Dieser beginnt mit dem ersten Anzeichen von Blut oder sobald sie fühlt, dass die Geburt unmittelbar bevorsteht. Der Nidda-Status dauert sieben Tage nach der Geburt eines Jungen und 14 Tage nach der Geburt eines Mädchens.23 Der geeignete Zeitpunkt für die Wiederaufnahme der ehelichen Pflichten erfolgt nur nach ärztlicher Beratung.

Der Nidda-Status dauert sieben Tage nach der Geburt eines Jungen und 14 Tage nach der Geburt eines MädchensSobald eine Frau Nidda wird, muss der Ehemann alle Gesetze betreffend des Nidda-Status beachten und darf keinen ihrer Körperteile sehen, die normalerweise bedeckt sind.24 Daher ist es unangebracht, wenn der Ehemann bei der Geburt zusieht.25 Aus diesem Grund fand der Rebbe, dass der Mann sich während der Geburt überhaupt nicht im Geburtszimmer befinden soll.26 Doch falls die Frau darauf besteht, dass er bei ihr bleibt oder falls niemand anders da ist, um seiner Frau beizustehen, darf er das tun. Doch sollte er darauf achten, nicht auf die intimen Bereiche ihres Körpers zu schauen.27

Falls das Baby durch Kaiserschnitt auf die Welt kommt, wird die Frau dadurch nicht Nidda, es sei denn sie habe eine vaginale Blutung.28

Segenssprüche über der Geburt

Erhält der Vater die Nachricht, dass seine Frau einen Sohn geboren hat, sollte er G-tt mit dem HaTov veHameitiv-Segensspruch danken: "Gesegnet seist Du, G-TT, unser G-tt, König des Universums, der gut ist und Gutes schenkt." "Baruch ata Ado-naj, Elohenu Melech Ha’Olam, HaTov veHaMeitiv".

Den Segen, den der Vater sagen soll, wenn ein Mädchen geboren wurde, lautet Schehecheyanu: "Gesegnet seist Du, G-TT, unser G-tt, König des Universums, der es uns erlaubt hat zu leben, der uns erhalten hat und der es uns erlaubt hat, diese Jahreszeit zu erreichen." "Baruch ata Ado-naj, Elohenu Melech Ha’Olam, shehecheyanu vekiemanu vehigianu lazman haze". (Dieser Segensspruch sollte allerdings nur beim Anblick des Mädchens gesagt werden.)

Diese Segenssprüche werden auch von der Mutter gesagt, sobald sie wieder angemessen gekleidet ist.29

Andere Bräuche

Es ist Brauch, den Psalm 121 (Schir LaMa'alot) sowie andere Gebete im Zimmer der frischgebackenen Mutter und dem Baby aufzuhängen. Der Zweck dieses Brauches ist, das Kind von Anfang an mit heiligen Anblicken vertraut zu machen. Bekanntlich ist es so, dass wir uns später zu dem hingezogen fühlen, an das wir seit frühester Kindheit gewöhnt sind und das als richtig betrachten. Daher sollten die Eltern sich bemühen, selbst im Krankenhaus, dieses Bild an die Wand neben der Zimmertüre zu hängen.30

Es ist wichtig in der Gegenwart der frischgebackenen Mutter und des Babys keinen Zorn zu zeigen. Zorn ist nicht nur ein äußerst negatives Verhalten, sondern kann sehr schädlichen Einfluss auf die Mutter und das Baby haben, G-tt behüte.31

Bei einem Jungen sollte seine Brit Mila (rituelle Beschneidung) geplant werden. Falls das Kind ein Erstgeborenes ist, sollte ein Pidjon HaBen (Einlösung des erstgeborenen Sohnes) geplant werden. Bei einem Mädchen sollten die Eltern ein Fest organisieren, um ihre Geburt zu feiern.

Es ist Brauch, dass die Mutter das Haus nach der Geburt sieben Tage nicht ohne Begleitung verlässt.32 Jedoch dient auch das Baby als Begleitung.33

Fasten nach der Geburt

Frauen die ein Baby hatten, sind für die nächsten zwei Jahre mit zwei Ausnahmen vom Fasten befreit.34 Diese zwei Ausnahmen sind Tisch beAw und Jom Kippur. Folgende Regeln sollten dabei beachtet werden:

Eine Frau, die ein Baby auf die Welt gebracht hat, sollte G-tt danken, sie und ihr Baby vor jeglichem Schaden beschützt zu haben
  • Wenn die Geburt in den drei vorangehenden Tagen stattfand,35 sollte die Mutter nicht fasten.
  • Falls die Geburt innerhalb der sieben vorangehenden Tagen stattfand, sollte sie auch nicht fasten, es sei denn, sie fühlt sich stark genug und auch ihr Arzt bestätigt, dass ihr dadurch kein Schaden entsteht. Darf die Mutter nicht fasten, sollte sie Nahrungsmittel und Flüssigkeiten in kleinen Rationen und in vorgegebenen Intervallen zu sich nehmen.36

Der HaGomel-Segensspruch

Eine Frau, die ein Baby auf die Welt gebracht hat, sollte G-tt danken, dass Er sie und ihr Baby vor jeglichem Schaden beschützt hat. Frauen sagen den HaGomel-Segensspruch in der Gegenwart von 10 männlichen Verwandten37 oder während sie in der Frauenabteilung der Synagoge stehen, wo ihr Segen von zehn Männern gehört werden kann. In anderen Gemeinden führt der erste Ausflug der Mutter direkt in die Synagoge, um dort Barchu zu hören. Wenn sie auf diesen Segen mit "Baruch Ado-nai HaMeworach leOlam wa'ed" ("Gesegnet sei der gesegnete G-TT auf immer und ewig") antwortet, sollte sie G-tt dafür danken, dass Er sie beschützt hat.38