In meinem anderen Leben bin ich Lehrer. Schlimmer noch: Ich bin Prediger, jemand, der so naiv ist zu glauben, dass er heutzutage wirklich jemanden unterrichten kann.

Wenn die Leute hören, was ich mache, bekomme ich viele Ratschlage. Auch Hunderte von Menschen, deren Motto lautet „leben und leben lassen“, steuern ihren Rat bei.

Man kann diese Ratschläge in drei Gruppen zusammenfassen. Wenn Sie diese falschen Ratschläge missachten, sind Sie auf dem besten Weg zu einem erfolgreichen Erzieher.

1. Rat: Kämpfen Sie nicht gegen den „Konsens“ an. Gegen bestimmte Argumente haben Sie keine Chance, den wenn eine Meinung oder ein Verhalten sich in einer Gesellschaft durchgesetzt hat, vergeuden Sie Ihre Zeit. Sparen Sie sich Ihre Energie und Ihr Talent, und sagen Sie den Menschen, was sie hören wollen; dann erreichen Sie mehr. (Leider kam dieser Rat nach einer Rede, in der ich erklärte, eine jüdische Ehe sei eine Verbindung zwischen einem Juden und einer Jüdin. Zum Glück kam er vor der Podiumsdiskussion, bei der ich sagte, man dürfe nicht vor Menschen zurückweichen, die uns so hassen, dass sie sogar ihre eigenen Kinder opfern, um unsere Kinder zu töten.)

2. Rat: Machen Sie sich keine Gedanken um aussichtslose Fälle. Wer die Grenze des Erlaubten überschritten hat, ist ein hoffnungsloser Fall. Sparen Sie Ihre Energie und Ihr Talent für normale Menschen, dann erreichen Sie mehr. (Dieser Rat kam gerade rechtzeitig vor einer Rede über „Konfliktlösung ohne Gewalt“, die ich halten sollte.)

3. Rat: Reden Sie nicht über Religion, es sei denn, es gibt einen Ansatzpunkt dafür. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn es um Philosophie, theoretische Physik oder Spiritualität geht. Aber Sie erreichen nichts, wenn Sie sagen: „Das tun wir, weil G-tt es befohlen hat.“


An drei Stellen spricht die Tora Erzieher an: a) im 17. Kapitel von Levitikus, wo es um das Verbot, Blut zu essen, geht; b) in Lev. 22, wo sie den Verzehr von Insekten verbietet; c) im ersten Vers von Emor (Lev. 21), wo sie erklärt, wann Priester rituell unrein sind. An allen drei Stellen benutzt die Tora eine Sprache, die dem Talmud zufolge bedeutet, dass „die Älteren die Jüngeren ermahnen müssen“.

Juden haben immer großen Wert auf Erziehung gelegt. Der Gedanke, dass die Alten den Jungen etwas zu geben haben und dass die Jungen ihnen zuhören, ist sogar der Grund dafür, dass wir nach 4000 Jahren noch existieren. Aber warum wählt die Tora gerade diese drei Stellen, um uns diesen Gedanken zu vermitteln?

Der Lubawitscher Rebbe erklärt, dass diese drei Gebote jene drei Lebensbereiche ansprechen, die wir meist für „unbeeinflussbar“ halten.

In biblischen Zeiten war es normal, Blut zu essen. Die Gesellschaft „watete in Blut“, wenn es ums Essen ging. Im Jahr 1300 v.d.Z. den Verzehr von Blut zu verbieten war vergleichbar mit einem Pizzaverbot in der heutigen EU. Den Konsum von Insekten finden wir Menschen hingegen eklig. Ihn zu verbieten, wäre sinnlos; denn wer so weit gesunken ist, hört bestimmt nicht auf „die Älteren“.

Die Gebote zur rituellen Unreinheit verstoßen gegen den dritten Rat. Man kann die Mizwot der Tora in drei Gruppen einteilen: a) Gesetze wie „Du sollst nicht töten“ oder „Du sollst nicht stehlen“, auf die jeder vernünftige Mensch von selbst kommen sollte; b) Zeugnisse: am Schabbat zu ruhen, am Pessach Mazza zu essen und so weiter. Sie haben eine ritualistische und Erinnerungsfunktion. Von selbst wären wir vielleicht nicht darauf gekommen; aber nachdem wir sie gehört haben, ergeben sie Sinn; c) Anordnungen, die jenseits der Vernunft liegen, zum Beispiel die Gebote zur rituellen Unreinheit, die nicht logisch erklärbar sind und die wir nur befolgen, weil sie von G-tt kommen.

Erziehung, sagt die Tora, ist nicht deshalb effektiv, weil der Erzieher überzeugend ist und sein Zögling bereit ist, sich überzeugen zu lassen. Sie ist effektiv dank der Macht der Wahrheit. Und eine Wahrheit ist immer wahr, unabhängig davon, was die Gesellschaft oder ein Individuum von ihr hält.

Und sie ist auch dann wahr, wenn wir nur sagen können: „Das hat G-tt gesagt.“