Der echte Prophet möge aufstehen! Es gibt so viele falsche Propheten, und es hat sie immer gegeben. Schon im fünften Buch Mosche warnt uns die Tora vor Menschen, die wie Propheten aussehen und sogar „Wunder“ vollbringen.

Warum lässt G-tt zu, dass falsche Propheten etwas Eindrucksvolles tun? Unserer Parascha zufolge will er uns prüfen. Wenn wir ihn wahrhaftig und mit ganzem Herzen und ganzer Seele lieben, lassen wir uns nicht von „Wundern“ beeindrucken. Die Testfrage lautet immer: Ermutigt uns dieser „Prophet“, G-ttes Gesetze zu befolgen oder sie zu missachten? Wenn er nicht treu zum Wort G-ttes steht, dann ist er kein Prophet, sondern ein Hochstapler.

Wenn Sie nach Ihrem Schulabschluss glaubten, jetzt seien die Prüfungen des Lebens vorbei, haben Sie sich geirrt. Es gibt zahlreiche weitere Prüfungen, und manche sind viel schwieriger als Chemie oder Physik. Und es gibt nur wenige Hausaufgaben, die uns auf solche Tests vorbereiten können.

Armut ist zum Beispiel eine wichtige Glaubensprüfung. Sogar Wohlstand kann eine härtere Prüfung sein, als wir denken. Krankheiten sind ebenfalls keine leichte Prüfung, und Tragödien sind noch schlimmer. Jeder Einzelne hat seine eigenen Prüfungen und Herausforderungen. Manchmal wären uns die Prüfungen anderer Leute lieber als unsere; aber wir müssen unsere eigenen Tests bestehen. Was andere in Versuchung führt, lässt uns vielleicht kalt. Was für mich schwierig ist, fällt Ihnen leicht und umgekehrt. Wenn wir daran denken, dass die Herausforderung des Augenblicks in Wahrheit eine Prüfung ist, werden wir vielleicht besser damit fertig und bestehen den Test.

Aber wir merken nicht immer, dass dies unsere eigene, ganz persönliche spirituelle Herausforderung sein könnte – womöglich die wichtigste unseres Lebens. Wir wissen nicht unbedingt zu schätzen, dass unsere Seele eben deshalb in diese Welt hinabgestiegen ist, weil sie Prüfungen bestehen will.

Darum lassen wir den Verstand sprechen.

Wenn es G-tt gibt, wo war er dann in Auschwitz?

Wenn er nicht wollte, dass ich das Geld nehme, warum hat der Chef dann vergessen, die Kasse abzuschließen?

Wenn diese Beziehung falsch ist, warum gefällt sie mir so gut? Diese arme Frau ist in einer Ehe ohne Liebe gefangen. Hat sie kein Recht auf ein bisschen Glück? Muss ich nicht für Sie da sein?

Wenn G-tt will, dass ich den Schabbat einhalte, warum ist mein Umsatz dann samstags am höchsten?

Wenn ich eine Kippa tragen soll, warum bin ich dann kahl? Ich habe nicht einmal Haare für die Klammer!

Aber wenn wir die Idee von der Glaubensprüfung akzeptieren, ist es leichter, die Herausforderungen zu bewältigen, selbst wenn sie groß sind.

Dennoch bleibt die Frage: Warum prüft G-tt uns? Will er wirklich wissen, wie unsere Parascha erklärt, ob wir ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele lieben? Ist er denn nicht allwissend? Können wir G-tt über uns „aufklären“?

Rabbi Schneur Salman von Liadi beantwortet diese Fragen in der Likute Tora, seiner klassischen Sammlung chassidischer Diskurse: Nicht G-tt will etwas herausfinden, sondern wir müssen etwas lernen. Natürlich weiß G-tt Bescheid. Aber er legt Prüfungen und Hindernisse auf unseren Weg, damit wir sie überwinden und uns dadurch weiter entwickeln, damit die innere, verborgene Liebe zum Vorschein kommt, die schon immer in unserem Herzen und in unserer Seele lebte.

Wenn wir die Prüfungen des Lebens bestehen, entdecken wir, dass wir doch innere Kraft besitzen, dass wir Gläubige sind, die eng mit G-tt verbunden sind und dass unsere Hingabe echt und aufrichtig ist. Dann glauben wir an unsere moralische Kraft und fühlen uns G-tt näher. Deshalb sind wir stärker, nachdem wir diese Hürden überwunden haben.

Wir suchen die Prüfungen nicht. Jeden Morgen bitten wir G-tt in unserem Gebet: „Führe uns nicht in Versuchung.“ Aber wenn wir trotzdem geprüft werden, müssen wir akzeptieren, dass es für unseren Erfolg als Menschen und als engagierte Juden überaus wichtig ist, uns der Herausforderung zu stellen. Mögen wir nie geprüft werden. Wenn es dennoch geschieht, müssen wir daran denken, dass es sich um eine Prüfung handelt.

Mögen wir sie mit Glanz bestehen.