Der erste Schnee des Winters ist immer schön. Aber nicht, wenn er im Oktober kommt.
Verärgert über den garstigen Sturm, wachte ich eines Morgens auf und wagte mich hinaus auf die Straße. Umgestürzte Bäume und Stromleitungen lagen herum. Die Ampeln waren außer Betrieb, die Straßen waren glatt. Aber die eigentliche Überraschung war der Stromausfall in unserer Synagoge. Ohne Licht war es schwierig, den morgendlichen G-ttesdienst abzuhalten. Einige der regelmäßigen Besucher kamen und teilten meinen Trübsinn. Viele gingen gleich wieder, um zu Hause zu beten; aber mehrere blieben. Wir entzündeten Kerzen, legten Tefillin an und setzten uns. Mein Blick wanderte im Raum umher, und allmählich besserte sich meine Laune. Die wunderliche Szenerie verzauberte mich: die dunkle Synagoge, die flackernden Flammen und die gebeugten Köpfe, die im trüben Licht lasen. Es war wie im Schtetl.
Mir wurde warm, als ich den dunklen Raum betrachtete, denn ich sah tapfere Juden. Es war finster und eisig kalt. Die Synagoge hatte weder Licht noch Heizung; und doch konnte nichts diese Juden davon abhalten, zu ihrem G-tt zu beten. Es war Morgen, und trotz des Wetters und aller Hindernisse waren diese tapferen Juden in der Synagoge. Ich erkannte, dass wir Juden in der Tat den Sternen am Himmel gleichen, wie G-tt es Awraham versprochen hat.
Die Dunkelheit durchdringen
Sterne strahlen Licht aus. Selbst wenn der Himmel dunkel wird, leuchten die Sterne weiter. Wir erhaschen einen Blick auf den Stern, wenn sein Licht durch den Schleier der Finsternis dringt und den Nachthimmel mit seinem Funkeln verschönt. Die Sterne leuchten den ganzen Tag, ohne unsere Aufmerksamkeit zu erregen. Wenn das stärkere Licht der Sonne die Welt überflutet, ist das schwache Licht der Sterne kaum zu sehen. Nur in der Nacht, wenn die Dunkelheit herabsteigt, zeigt der kleine Stern seine Kraft und Ausdauer. Er sieht zwar klein aus, aber nur, weil er weit von der Erde entfernt ist. In Wirklichkeit sind die Sterne groß, und darum besiegt ihr Licht die Nacht.
Auch unter den Menschen gibt es Sterne, starke Seelen, die Hindernisse und ihre eigene Dunkelheit überwinden. An einem normalen Morgen, wenn die Straßen trocken sind und die Lichter brennen, besuchen viele Juden die Synagogen. Wenn heftige Stürme und tückische Straßen die meisten von uns im Haus festhalten, fallen uns die starken Juden auf, die sich der Herausforderung stellen. Diese leuchtenden Sterne vertreiben unseren Trübsinn und erfüllen uns mit Inspiration und Kraft.
G-ttes Versprechen
Genau das meinte G-tt, als er Awraham aufforderte: „Schau hinauf zum Himmel und zähle die Sterne. Kannst du sie zählen? So zahlreich werden deine Kinder sein.“ Die Astronomen haben noch längst nicht alle Sterne entdeckt und gezählt, denn viele von ihnen sind Millionen Lichtjahre entfernt und mit bloßem Auge nicht zu sehen. Aber die sichtbaren Sterne sind für uns ein großer Trost, weil sie uns „zuzwinkern“ und uns daran erinnern, dass wir jede Herausforderung bestehen, jede Entfernung überwinden und jede Dunkelheit erleuchten können.
Hindernisse sind Chancen
Für Sterne ist die Dunkelheit kein Hindernis, sondern eine Gelegenheit zu strahlen. So dachten auch die Juden, die in der dunklen Synagoge beteten und sich im trüben, flackernden Licht über ihre Bücher beugten. Diese Juden sind meine Sterne. Sie scheuen keine Herausforderung; sie lassen sich von der Finsternis nicht entmutigen und fürchten sich nicht vor der Nacht. Nichts kann ihre Hingabe schmälern. Diese Sterne inspirieren uns in der Nacht. In ihrem Licht brauchen wir die Dunkelheit nicht zu fürchten.
Nicht die Kerzen haben mich an jenem kalten Morgen erleuchtet, sondern die Köpfe über den Kerzen. Für mich waren sie die Sterne, von denen G-tt zu Awraham sprach.
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